"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"
auch geht bei meiner Aktion: Dinge zu tun, die mir schwerfallen. Vier Wochen ohne Wein oder Bier – wenn ich ehrlich zu mir bin, kenne ich das nicht. Es gab in den vergangenen 25 Jahren wohl kaum einen Tag, an dem ich nichts getrunken habe. Mal einen Sekt in der Redaktion, ein Bier in der Kneipe, abends ein Glas Rotwein.
An so manch einsamem Abend habe ich auch schon mal zwei Flaschen alleine geleert. Wie oft bin ich morgens mit diesem wattigen Gefühl im Kopf in den Tag gegangen? Wie oft ich volltrunken mit dem Auto nach Hause fuhr, kann ich schon nicht mehr sagen. Den Mittelstreifen doppelt gesehen, mich dazwischen entlanggetastet
habe. Auf so mancher Party war ich als Allererster betrunken. Weil ich den Wein wie Wasser gedanken-los in mich hineinkippte. Und dann so manches tat und sagte, was bedauerlicherweise nicht trunkener Vergessenheit anheimfiel.
Fünf Fragen auf dem Weg zum Säufer – bei diesen Ankreuz-Tests erreicht mein Trinkverhalten die Note »problematisch«. Immerhin – zumindest kein Voll-Alkoholiker. Glück gehabt, darauf trinken wir einen! Natürlich habe ich mich manchmal insgeheim gefragt, ob ich wohl ein Suchtproblem habe. Ich werd’s einfach einen Monat lassen – und merken, ob es ein Problem ist. Ich will mir pur begegnen, unbetäubt. Vielleicht auch mal große Leere aushalten. Leben lernen – statt Zeit zu verbringen. Es gibt eine Menge Dinge, mit denen ich normalerweise versuche, die Leere zu füllen. Fernsehen zum Beispiel. Diese ganzen langen Abende, an denen ich mich gelangweilt und unkonzentriert durch die Programme zappe, bis ich endlich müde genug bin, um schlafen zu gehen. Oder Einkaufen. Ich bin ständig auf Shopping-Tour im Internet. Um mich mit lauter schönen Dingen zu belohnen – oder im Frust zu trösten. Deshalb streiche ich mir neben Alkohol, Kaffee und Schokolade auch Fernsehen und Konsumgüter für vier Wochen – und weil ich gerade so flott dabei bin, auch Restaurantbesuche. Ich werde selbst kochen – jeden Tag. Ich mache das sonst nie für mich allein. Weil es mir einfacher erscheint, nach der Arbeit schnell noch beim Thailänder oder Spanier eine Kleinigkeit zu essen. Dabei lese ich Zeitung und lasse meine Ohren zwischen den Gesprächen an den Nachbartischen wandern. Meine Kochkünste beschränken sich auf Eier –
gerührt oder gebraten – und zwei Nudelsoßen. Für eine Frau habe ich mich auch schon mal an ein mehrgängiges Menü gewagt. Aus irgendeinem angesagten Kochbuch, das schon den Zutatenkauf in Stress ausarten lässt. Und dann die Hektik am Herd, wenn grammgenaue Mengen und minutengenaue Garzeiten in drei verschiedenen Töpfen und Pfannen einzuhalten sind. Und am Ende war’s dann meist so lala …
Ich beneide und bewundere Menschen, die aus schlichten Zutaten scheinbar mühelos ein leckeres Essen zaubern. Es ist für mich der Inbegriff von Behaglichkeit: Mit netten Menschen in einer Küche bei einem Topf Pasta zu sitzen, zu essen, zu reden und zu lachen. Ich war immer lieber bei Freunden in der Küche als in Restaurants. Finde es immer sehr viel schöner als auszugehen, wenn meine Hamburger Freundin Britta an den gemeinsamen Wochenenden für uns kocht.
Aber es geht auch ohne Britta! Ein angenehmer Abend mit mir selbst zu Hause. Quasi der Freizeitteil von »Arschtritt«. Erst muss ich mich schinden – und dafür darf ich abends kochen, ein Buch lesen, ins Theater gehen. Auch wenn ich das jetzt noch anders sehe, weil ich die Mühe scheue, die es bedeutet. Aber machen nicht alle Dinge, die Freude bereiten, auch ein wenig Mühe? Ich stelle es mir sehr entspannend vor, am Küchentisch zu sitzen, Gemüse zu schneiden, Kräuter zu hacken, Soßen anzurühren und dabei … nein, kein Glas Wein! Mich reizt auch der handwerkliche Aspekt. Aus Rohstoffen der Natur ein gutes Essen entstehen zu lassen. Ein Gefühl dafür zu bekommen, was zusammenpasst, und für Gewürze.
Ich habe mir immer gewünscht, das zu können – aber mich da nie herangetraut. Und Leute werde ich auch einladen! Die Bewährungsprobe als Gastgeber, ein Höhepunkt von Unternehmen »Arschtritt«. In der dritten Woche, wenn ich schon ein bisschen Routine habe. Irgendein ein einfaches Gericht, ein guter Wein für meine Gäste. Ein geselliger Abend in meiner Küche. Nüchtern und gut gelaunt. Bislang ein Widerspruch für mich.
Ich streiche ich mir neben Alkohol, Kaffee und Schokolade auch Fernsehen und Konsumgüter für vier Wochen – und weil ich gerade so flott dabei bin, auch
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