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"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

Titel: "Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Senzel
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unterzukriegen. Mitten in der Nacht. Fitnessstudio, Krafttraining, 1000 Meter Schwimmen. Um acht Uhr sitze ich im Büro, lese alle Zeitungen und gehe wohl-informiert in den Tag. Abends putze ich das Bad, mache die Wäsche, koche ein leckeres Abendessen, schreibe einen geistreichen Brief oder lese Weltliteratur und gehe früh schlafen. Denn am nächsten Morgen um fünf werde ich freudig einen neuen Tag mit einem Kräutertee, einer Grapefruit und Joghurt beginnen. Und abends meine Finanzen in Ordnung bringen. Oder ins Theater gehen. Und am Wochenende eine in Ausstellung oder ins Museum. Ich habe mir eine Aufgabe gestellt, und es gefällt mir gut, was dabei am Ende herauskommen könnte. Das lässt sich natürlich leicht sagen – an diesem lauen Sommerabend mit einem Glas Wein auf dem Balkon. Der Duft von Grillfleisch hängt in der Luft, viel fröhliches Gelächter von den Nachbarn. Ich mache mir keine Illusionen, dass es sich in echt alles andere als gut anfühlt. Das wird eine elendige Schinderei werden. Ein guter Plan.
    Ich stecke Lebenszeit in kleine Schublädchen.
    Möglicherweise sehe ich das bei der nächsten Party schon anders. Erkläre die ganze Aktion spontan zur
Schwachsinnsidee und kippe sie komplett. Und zwar mit voller Überzeugung. Ich bin sprunghaft und undiszipliniert. Deshalb werde ich jetzt einen Vertrag mit mir selbst abschließen. Und danach keine innere Grundsatzdebatte führen bei jeder Versuchung. Weil ich mir das vorher gut überlegt habe. Weil ich mich mir selbst gegenüber verpflichtet habe mit meiner Unterschrift. Das ist natürlich keine Garantie, dass ich nicht doch die Lust verliere. Schwach werde.
    Vertrag mit mir selbst
    § 1: Ich verpflichte mich, auf Tabak, Alkohol, Kaffee, schwarzen Tee und Süßigkeiten zu verzichten.
     
    § 2: Ich verpflichte mich zu einer gesunden Ernährung mit maximal 1 Mal wöchentlich Fleisch, 2 Mal Fisch und viel Obst und Gemüse.
     
    § 3: Ich verpflichte mich, mindestens 5 Mal wöchentlich Sport zu treiben.
     
    § 4: Ich verpflichte mich, auf den Konsum von Fernsehen und Internet (jenseits von Recherche und Mails) zu verzichten.
     
    § 5: Ich verpflichte mich, auf Anschaffungen jenseits des täglichen Bedarfs zu verzichten.
     
    § 6: Ich verpflichte mich, einmal wöchentlich einen privaten Brief zu schreiben.

     
    § 7: Ich verpflichte mich, mindestens eine Kulturveranstaltung pro Woche zu besuchen.
     
    § 8: Ich verpflichte mich, jeden Tag einen Posten meiner Haushaltsliste zu erledigen und allabendlich Klarschiff zu machen.
     
    § 9: Ich verpflichte mich, für die Dauer dieses Vertrages auf Restaurantbesuche zu verzichten.
     
    § 10: Ich werde in der dritten Woche Freunde zu mir nach Hause einladen und bekochen – und ich werde als guter Gastgeber selbstverständlich exzellenten Wein servieren.
     
    § 11: Ich werde nur noch »gute Bücher« lesen (Liste machen!).
     
    § 12: Zielgewicht: 84 Kilogramm.
     
    § 13: Bei Verstößen beginnt diese Selbstverpflichtung von Neuem für volle 28 Tage.
    28 Tage lang sich jeden Morgen immer wieder zwingen und drillen bis zum Schlafengehen. Jeder Versuchung widerstehen. Nicht mal ein kleiner, feiner Cappuccino zwischendurch oder ein Schoko-Muffin oder ein Gläschen Wein in der Sonne. Nicht rauchen, wenn es Stress und Ärger im Beruf gibt. Und genau deshalb brauche ich Paragraf 13, die Wiederholungsklausel. Weil ich weiß, dass ich schwach werden kann. Und verhindern möchte, dass ich bei einem Rückfall die ganze Aktion als gescheitert betrachte. Versanden lasse wie so vieles.
Wenn ich schwach werde, fange ich einfach wieder von vorn an – die vollen vier Wochen. § 13 unterstreicht meine Ernsthaftigkeit, das Ganze zumindest einmal komplett durchzuziehen und mich nicht von Rückschlägen kirre machen zu lassen. Egal wie lange es am Ende dauert. Ich fordere mir da ja auch nichts Unmögliches ab. Vier Wochen Härte gegen mich selbst. Manche Leute halten so was für ein ganz normales Leben.
     
    Der Chablis ist so kalt, dass das Glas beschlägt. Herrlichstes Weißweinwetter. Dass mir vier Wochen ohne Alkohol so bedrohlich vorkommen. Nein, mit Sucht hat das nichts zu tun. Sondern mit Lebensart, mit Genuss. Ich trinke ja keinen Fusel. Ich habe wirklich hart mit mir gerungen um diesen Punkt. Zumindet ein Gläschen täglich wollte ich mir als Belohnung nach all der Mühsal am Abend genehmigen. Weil es mir offensichtlich so schwerfiel, habe ich es gestrichen. Nicht aus Angst vor Abhängigkeit, sondern weil es darum

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