"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"
Kommando übernimmt und meine Gefühle nichts zu melden haben. Weil es im Leben nicht nur darum geht, wie sich Dinge anfühlen – sondern dass sie eben auch gemacht werden müssen. So wie Omi das getan hat.
Es geht im Leben nicht nur darum, wie Dinge sich anfühlen. Sondern dass sie einfach gemacht werden müssen.
Häppchen für Häppchen, Kästchen für Kästchen
Ich hasse Einkaufen! Wildes, hektisches, zielloses Herumgerenne und Gesuche und Geschubse zwischen Supermarktregalen. Weil abends natürlich alle einkaufen. Und dann komme ich nach Hause und hab doch wieder die Hälfte vergessen und bestelle mir eine Pizza. Und renne am Samstagmorgen noch mal los. Wenn alle losrennen. Und das meiste vergammelt sowieso … Jetzt kommt bei meinem Superplan Lindgrün ins Spiel – »Rezeptstunde« heißt das neue Kästchen im Terminkalender. Jeden Sonntag suche ich mir aus meinem neuen Kochbuch sieben Rezepte für die folgende Woche heraus. Und schreibe die Zutaten auf einen Einkaufszettel. Nur noch ein Großeinkauf pro Woche. Nur noch ab und zu ergänzen mit frischen Sachen. Vorräte anlegen. Nach Hause kommen und wissen, dass immer etwas zum Kochen da ist. Pasta mit Tomatensoße oder ein Thunfisch-sandwich. Und wenn überraschend Gäste kommen, ist das auch kein Drama. Dann peppst du die Tomatensoße mit Oliven und Anchovis auf – eine beruhigende Vorstellung. Fand ich eigentlich schon immer, aber ich habe es nie lange durchgehalten. Irgendwann war immer alles aufgefuttert, weil ich meine Vorräte nie ergänzt hatte. Deshalb schreibe ich mir das jetzt für diese vier Wochen alles haarklein und fein säuberlich auf. Mache mir das Leben ein kleines bisschen leichter, indem ich mal vorher nachdenke.
Bekanntlich stellen in der Hölle die Engländer den Küchenchef – aber Jamie Oliver wird mein Messias. Er hat mich berührt – ICH KANN KOCHEN! – Eine Handvoll Schinken (kommt nicht so drauf an), Tiefkühl-erbsen,
Sahne, frische Minze, Farfalle, Parmesan – fertig. Dass Kochen so einfach sein kann! Und trotzdem so großartig schmeckt! Raffiniert mit der Minze und dem angebratenen Schinken. Und ich hab’s gekocht! Ganz allein!
Vier Wochen: Kurz und schmerzhaft!
Tag 1 – Beim ersten Mal tut’s weh …
Kürzlich war ich in den Imperial War Rooms – einem der vielen Museen, die den britischen Kriegsruhm verewigen. Churchill hat aus diesen Kellerräumen den Kampf gegen Nazi-Deutschland geführt. Der Strampelanzug aus altrosa Frottee-Stoff ist hier zu sehen, den Churchill gern tagelang trug. Er trank zum Frühstück eine Flasche Wein, legte sich nach dem Mittagessen zwei Stunden aufs Ohr und machte am Nachmittag mit harten Sachen weiter. Er rauchte Zigarren, erhob »no sports« zum Lebensmotto und wurde steinalt. Und er hat den Krieg gegen den Nichtraucher, Antialkoholiker und Vegetarier Hitler gewonnen. Das gibt einem schon zu denken. Vor allem an einem Samstagmorgen in einem nach Schweiß und Desinfektionsmitteln riechenden Fitnesscenter.
»Come on, Holgää – one more. Come on, you’ll make it!« Ich hasse diesen penetrant gut gelaunten Marc, der mich anfeuert an den Foltergeräten: »… noch vier – drei – zwei – ja, komm, noch einen. Wunderbar. Ganz
toll!« – »Halt’s Maul! Halt einfach das Maul«, tönt eine Stimme in mir. Ich weiß, dass ich ein schlaffer Sack bin. Ich versuche, meinen Drillsergeanten in diesem widerlich topfitten, gut aussehenden jungen Menschen mit dem Waschbrettbauch und den muskulösen Armen zu sehen … Aber dazu ist er einfach zu freundlich, zu gut gelaunt – und zu smart. Mein Drillsergeant ist ein missmutiger, vierschrötiger Typ mit Fass-Brustkorb, und er lobt auch nicht. Ich könnte die Wände hochgehen, so sehr geht es mir gegen den Strich. Der Umkleideraum mit seiner Mischung aus Körperschweiß, Sagrotan und Duschgel, die muskelbepackten, ächzenden, stöhnenden Menschen, die sich dabei selbst im Spiegel bewundern. Ich gehöre hier eindeutig nicht hin.
Es ist acht Uhr am Samstagmorgen, mein Frühstück bestand aus einer Grapefruit und einem Joghurt mit Kräutertee – und ich leide wie ein Hund, während ich mich quälen lasse von diesem braun gebrannten Sonnenscheinchen. »Yeah, aller Anfang ist hart, Holgää«, tröstet er mich mitfühlend nach anderthalb Stunden – »aber lief doch super. Man merkt, dass du früher mal Sport getrieben hast.« Hab ich nicht, Sport war mir schon in der Schule ein Gräuel, ich war der klassische Turnbeutelvergesser, der immer
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