Arsen und Apfelwein
Pfau.
Jenny überlegte, ob er seine blonden Locken einer Dauerwelle oder elterlichen Genen verdankte. »Zum Beispiel welchen?«, hakte sie nach.
»Zum Beispiel besitze ich ein Rennpferd. Außerdem spiele ich auf Wettkampfniveau Tennis.«
Jenny gab sich beeindruckt. »Tatsächlich? Wann haben Sie Marc Duprais das letzte Mal gesehen?«
»Lassen Sie mich überlegen.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Unterlippe. »Ich glaube vor drei Wochen an meinem Geburtstag. Wir haben im Kasino an der Rennbahn gefeiert.«
»War Marc alleine da?«
Von Schaubert zögerte einen Moment. »Ich bin nicht sicher, aber ich denke schon.«
»Kennen Sie weitere Freunde? Oder eine Freundin?«
»Marcs Freunde kenne ich nicht. Freundinnen … Er hatte bestimmt einiges am Laufen, aber nichts Festes.«
»Eine blonde Frau hat ihn des Öfteren zuhause besucht.«
Von Schaubert schien überrascht. »Ich weiß wirklich nichts von einer festen Beziehung.«
»Es ist doch seltsam, dass so ein gut aussehender junger Mann keine Freundin haben soll.«
Kurz dachte Jenny, dass von Schaubert nichts dazu sagen würde, doch dann meinte er: »Marc ist sehr unabhängig. Ich vermute, er will sich noch nicht fest binden. Aber ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, dass Sie mir sagen, was Sie mit diesen Fragen bezwecken.«
»Gleich. Ist es nicht so, dass Sie in der gleichen Studentenverbindung sind?«
Die Frage schien von Schaubert unangenehm. Er zögerte. »Das stimmt. Proforma. Ich bin nicht mehr aktiv.«
»Warum?«
Er setzte einen überheblichen Gesichtsausdruck auf. »Ich bitte Sie. Halten Sie mich für altmodisch? Burschenschaften. Auch noch schlagend vielleicht? Ich habe es nicht so mit Hierarchien. Aber jetzt will ich endlich wissen, warum Sie mich das alles fragen!«
»Marc Duprais wurde tot aufgefunden. Ermordet.«
Von Schaubert schoss in die Höhe. »Ermordet? Marc?« Etwas wie Panik klang in seiner Stimme. Irritiert blickte Jenny zu ihm hoch.
Der junge Mann fing sich nur langsam wieder. Er schwankte einen Moment, dann setzte er sich und umklammerte die Armlehnen seines Sessels. »Das ist furchtbar. Wer hat es getan? Weiß man schon Genaueres?«
»Leider nicht. Darum ermitteln wir in seinem Umfeld. Fällt Ihnen jemand ein, der etwas gegen Herrn Duprais hatte?«
Er zögerte und sah zu Boden. »Nein, ich wüsste absolut niemanden.«
»Er hat nie von Problemen erzählt?«
»Nie.«
Jenny hatte das Gefühl, hier nicht weiterzukommen. Sie erhob sich. »Möglicherweise kommen wir noch einmal auf Sie zu, aber für den Moment war das alles.« Sie reichte ihm eine Visitenkarte. »Bitte rufen Sie mich an, wenn Ihnen irgendetwas einfällt. Egal wie unwichtig es Ihnen erscheint.«
Er stand ebenfalls auf und griff nach der Karte. Seine Hand zitterte leicht. »Natürlich. Sagen Sie, wann und wo ist die Beerdigung?«
»Das weiß ich nicht. Aber Marcs Eltern werden sich sicher bei Ihnen melden. Sie kennen sich doch?«
»Flüchtig. Sie sind selten in Deutschland. Marc lebt praktisch alleine. Lebte, meine ich.«
Jenny nickte kurz und verabschiedete sich. Gefolgt von Sascha verließ sie das Haus und lief um die Ecke zum Auto. Sie fuhren aus Bad Homburg heraus und hielten auf einem Parkplatz. Jenny stellte den Motor ab und wandte sich Sascha zu. »Was hältst du von ihm?«
»Bisschen arrogant, aber ganz hilfsbereit.«
»Ich weiß nicht. Ich glaube, wir haben nur die Oberfläche gesehen. Warum war er so panisch, als er von Marc Duprais’ Tod hörte?«
»Ich fand ihn eher geschockt«, meinte Sascha verwirrt. »Das ist doch normal, wenn ein Freund ermordet wird.«
Jenny überlegte. Hatte sie sich getäuscht? »Da war mehr. Einen kurzen Moment schien er geradezu in Panik zu geraten.«
Sascha ließ sich das einen Moment durch den Kopf gehen. »Du hast recht. Es war seltsam. Zumal er vorher eine enge Freundschaft von sich gewiesen hat.«
Jenny startete den Motor. »Jetzt fühlen wir den Musskajews auf den Zahn.«
Sascha seufzte. »Ab ins Chaos.«
Die Wohnung der Musskajews lag in einem Hochhaus in der Nähe der Kronberger Straße in Frankfurt-Höchst. Jenny stieg aus dem Dienstwagen und sah sich um.
Sascha trat neben sie. »Ziemlich gepflegt. Da ist sogar ein Spielplatz.«
»Es sind ja nicht alle Hochhäuser Gettos«, sagte Jenny über die Schulter, während sie auf den Eingang zuging.
Sascha sah nach oben. »Mag sein. Ich wollte trotzdem nicht in so einem Kasten wohnen. Sind doch mindestens hundert Parteien.«
»Kann sich aber nicht
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