Arsen und Apfelwein
Läuten öffnete niemand.
»Wir kommen später wieder«, entschied Jenny.
Logo sah resigniert auf die Uhr. »Wir müssen auch noch nach Höchst zu der Familie des Unfallopfers.«
»Erinner mich nicht daran«, seufzte Jenny und rieb sich die Stirn.
Im Präsidium trafen sie auf einen genervten Sascha. Seine Haare standen in alle Richtungen ab, als hätte er sie beständig gerauft. »Ich steige da nicht durch«, seufzte er. »Die Familie Musskajews besteht aus mindestens dreißig Mitgliedern, die abwechselnd in Deutschland und Kasachstan leben.«
»Hast du Duprais’ Anwalt erreicht?«
»Ja. Natürlich hielt er sich ziemlich bedeckt und berief sich auf die Schweigepflicht. Er hat mir aber zumindest so viel mitgeteilt, dass es um eine hohe Nachforderung im sechsstelligen Bereich geht. Die ursprüngliche Zahlung reicht den Musskajews nicht mehr, da die junge Frau dauerhaft entstellt und behindert sei. Das war wohl zum Zeitpunkt des ersten Prozesses nicht abzusehen.«
Jenny rieb sich die Stirn. »Ich überlege angestrengt, wen ich da hinschicken soll. Aber mir fällt niemand ein, den ich so wenig leiden kann.«
Logo verbiss sich das Lachen, während Sascha verständnislos aufschaute.
Jenny setzte sich und zog die Tastatur heran. »Kümmern wir uns zuerst um den Fanklub.«
Nach kurzer Zeit spuckte der PC Ergebnisse aus. Jenny griff sich das Blatt, überflog es und fasste zusammen. »Philipp Rogers ist bald nach der Schule mit seiner Familie zurück in die USA. Julius Rothe lebt in Berlin und arbeitet als Fotograf. Ferdinand von Schaubert scheint mir am interessantesten. Er wohnt noch in Bad Homburg bei seinen Eltern. Studiert BWL, schon länger offensichtlich.«
»Das weißt du jetzt woher?«, fragte Logo.
» Google lässt grüßen. Und Facebook .«
Logo schüttelte den Kopf. »Wie haben wir das nur früher gemacht?«
»Ging auch, dauerte nur länger. Komm, fahren wir vorbei. Vielleicht haben wir Glück.«
Sascha hob den Kopf. »Kann ich nicht mitkommen? Ich muss unbedingt mal raus und diese Musskajews aus dem Kopf bekommen.«
Jenny schaute fragend zu Logo. Der nickte. »Ich halt hier die Stellung. Draußen ist es kalt und nass.«
Diesmal fuhr Jenny. Sie verließen Frankfurt über die A 5 und fuhren am Bad Homburger Kreuz auf die A 661. »Wenigstens geht heute das Navi«, murmelte sie. »Wer weiß, wo du uns sonst wieder hingelotst hättest.«
Sascha schaute beleidigt aus dem Fenster.
Von Schauberts bewohnten eine große Villa im Jugendstil in der Nähe des Kurparks und der Taunus-Therme. Ein Hausmädchen öffnete den Beamten die Tür und bat sie höflich hinein. »Herr und Frau von Schaubert sind außer Haus, aber der junge Herr Ferdinand ist in seiner Wohnung.«
»Bitte führen Sie uns zu ihm«, wies Jenny das Mädchen, das kaum älter als neunzehn zu sein schien, an.
Sie lächelte schüchtern. »Bitte kommen Sie.«
Zu Jennys Überraschung verließen sie das Haus durch die Eingangstür und gingen um die Hausecke herum zu einem Anbau. Das Hausmädchen klingelte. Es dauerte einen langen Moment, bis sich die Tür öffnete. Ein zerzaust aussehender junger Mann, Mitte zwanzig, stand im Türrahmen, bekleidet mit einem dunkelblauen Bademantel. Fragend hob er eine Augenbraue.
Das Mädchen knickste tatsächlich und Jenny spürte förmlich, wie Sascha hinter ihr große Augen machte. »Die Herrschaften sind von der Polizei, Herr von Schaubert«, hauchte sie.
»Ist gut, Celia.« Er würdigte sie keines Blickes, sondern sah Jenny an. »Bitte kommen Sie herein.«
Jenny und Sascha folgten ihm in einen gefliesten Flur und weiter in ein hell eingerichtetes Wohnzimmer mit modernen Möbeln.
»Setzen Sie sich doch«, meinte von Schaubert höflich. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Jenny lehnte dankend ab und nahm auf der Ledercouch Platz. Sascha setzte sich neben sie.
Ferdinand von Schaubert ließ sich ihnen gegenüber in einen Sessel fallen und beugte sich erwartungsvoll vor. »Was verschafft mir das Vergnügen?«
»Sie kennen Marc Duprais?«, kam Jenny ohne Einleitung zur Sache.
Von Schaubert nickte spontan. »Natürlich, wir sind zusammen zur Schule gegangen und studieren auch beide in Frankfurt.«
»Also sind Sie Freunde?«
Er überlegte kurz. »Freunde wäre vielleicht zu viel gesagt. Wir treffen uns ab und zu, wenn es die Zeit erlaubt.«
»Die Zeit? Was machen Sie denn beruflich?«
»Ich studiere BWL. Daneben gehe ich zeitintensiven Freizeitbeschäftigungen nach.« Er spreizte sich wie ein
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