Arsen und Apfelwein
Flur abgehenden Türen. In den Zimmern waren Kartons gestapelt. Alles sah nach baldiger Abreise aus.
»Ich kann sie nirgends im Haus finden. Wahrscheinlich ist sie in Marcs Wohnung.«
Sie folgten ihm durch den Garten und sahen Licht im Nebenhaus. Duprais öffnete die Eingangstür und ließ ihnen den Vortritt. Als er ihnen folgen wollte, wandte sich Jenny um. »Lassen Sie uns alleine.«
Duprais gefiel dies sichtlich nicht, doch er drehte sich um und ging kommentarlos davon. Jenny und Logo betraten das große Wohnzimmer. Es war hell erleuchtet, aber niemand war zu sehen. »Frau Duprais?« rief Jenny in den Raum. Sie sahen sich um. Als sie gerade ins obere Stockwerk gehen wollten, öffnete sich eine Tür am anderen Ende und Frau Duprais kam herein. Sie erstarrte in der Bewegung und sah sie erschrocken an. Jenny ging auf sie zu. »Sie erinnern sich sicher an mich. Kommissarin Becker.«
Die Frau entspannte sich etwas. Fahrig zupfte sie an einer Haarsträhne. »Polizei? Sie wollen zu mir?« Ihr Blick wich dem Jennys aus.
»Wir hätten ein paar Fragen. Setzen wir uns?«
Die Frau schaute unsicher im Raum herum. »Setzen?«
Jenny wies auf die Couch. »Vielleicht hierhin? Hier scheint im Gegensatz zum Haupthaus noch alles unverändert zu sein?«
»Wir reisen bald ab.« Bei diesem Satz erhellte sich ihr Gesicht, sie ging zur Couch und setzte sich. Jenny nahm neben ihr Platz.
»Es wird Ihnen sicher gut tun, von all den traurigen Erinnerungen wegzukommen«, versuchte Jenny ein Gespräch anzufangen.
»Ja ja«, murmelte Frau Duprais. »Weg. Ich bin nicht gerne hier.«
Das brachte nichts. Jenny wechselte die Taktik. »Erinnern Sie sich an Ramona Wiesner, die Bekannte Ihres Sohnes?«
Jetzt fokussierte die Frau ihren Blick auf Jenny. »Sie kannte ihn. Der arme Junge.«
»Wissen Sie, dass ein Mordanschlag auf sie verübt wurde?«
Sie zögerte, dann nickte sie. »Wer tut so etwas nur?«
»Es gibt Hinweise, dass sie am Morgen des Anschlags mit Ihrem Mann verabredet war.«
»Nein!«, schrie Frau Duprais unvermittelt auf. Jenny zuckte zusammen. »Mein Mann hat nichts damit zu tun. Er war den ganzen Morgen zuhause.«
»Das wissen Sie genau?«
»Wir waren zusammen, die ganze Zeit. Wir stehen uns sehr nahe, müssen Sie wissen.«
Jenny nickte. »Natürlich. Dann brauche ich Sie ja nicht zu fragen, wo Sie sich aufgehalten haben. Sie haben auch keinen Anruf von Frau Wiesner mitbekommen?«
Frau Duprais schüttelte den Kopf.
Jenny sah sich um und blickte dann auf die Hände der Frau, die nervös ineinander verknotet waren.
»Was machen Sie hier?«
Die Frage überraschte die Frau und sie sah rasch weg. »Ich … räume auf. Das Haus wird verkauft. Möbliert.«
»Was ist mit der Katze?«
Verwirrt sah die Frau sie an. »Katze?«
»Die Katze Ihres Sohnes. Das letzte Mal lief sie hier herum.«
Jenny erntete ein Schulterzucken. »Vielleicht ist sie weggelaufen.«
Jenny warf Logo einen kurzen Blick zu. »Könnten Sie meinem Kollegen bitte noch mal das Arbeitszimmer zeigen?«
Frau Duprais zögerte, nickte dann aber. »Natürlich, kommen Sie.«
Als die beiden die Treppe hinauf verschwunden waren, nahm Jenny das Telefon von der Ladestation, drückte Wahlwiederholung und notierte die Nummer auf einem kleinen Zettel. Dann eilte sie zur Hintertür und öffnete sie. Sie blickte in ein Stück des Gartens, das nicht genutzt zu werden schien. Unkraut wucherte hier und Gestrüpp, das lange keine Gartenschere gesehen hatte. Hier und da standen alte Blumentöpfe. Auf dem Boden lag ein Klappspaten. Ein frischer Erdhaufen zeugte davon, dass hier kürzlich gegraben worden war.
Schnell ging sie zurück ins Haus und hörte auch schon Logo und Frau Duprais die Treppe hinunterkommen. Er warf ihr einen fragenden Blick zu, während die Frau zu Boden starrte. Sie verabschiedeten sich. Ohne Umweg über das Haupthaus gingen sie direkt zu ihrem Wagen.
»Hat die Zeit gereicht?«, fragte Logo. »Ich wusste nicht, wie lange du brauchst.«
»Hat gepasst«, meinte Jenny, »hier ist was ganz gewaltig faul. Hinter dem Haus ist ein frischer Erdhaufen, ich wüsste zu gerne, was da vergraben ist!«
»Die Katze?«
»Witzig, wobei ich ihr das zutraue. Das Haustier ihres Sohnes scheint ihr herzlich gleichgültig zu sein.«
»Der Frau ist doch alles gleichgültig.«
»Wenn die Rede auf ihren Mann kommt, zeigt sie starke Emotionen. Aber nur dann. Der letzte Anruf ging zu einer Taxizentrale. Überprüfen wir, wohin die Fahrt ging.«
Logo telefonierte mit
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