Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
Vom Netzwerk:
Führung denkst?«, fragte Rahil und schippte Kohle und Dung in den feurigen Schlund der Lokomotive. Sammaccan lag noch immer in der Ecke und schlief, aber manchmal zuckten seine Beine und Arme. Wovon träumte jemand, der halb Mensch und halb Reptil war?
    »Jemand muss die nötigen Entscheidungen treffen«, sagte Coltan ernst. »Jemand muss weit genug vorausblicken, um die nötigen Entscheidungen treffen zu können.«
    Rahil nickte und fütterte die Lokomotive.
    »Und du hast natürlich diesen Weitblick. Als religiöser Mann würdest du behaupten, von Gott auserwählt zu sein oder etwas in der Art. Aber da du nicht an Götter und dergleichen glaubst … Vielleicht bist du davon überzeugt, mit einer besonderen Gabe gesegnet zu sein.«
    »Verstehst du denn nicht, Junge?« Zum ersten Mal erklang Ärger in Coltans Stimme. »Wir müssen fortführen, was Jere Laureno damals begann. Er war es, der die Vision hatte, dessen Blick weit in die Zukunft reichte. Mit dem Artefakt können wir erreichen, was wir wollen. Wir beide, Vater und Sohn. Du hast eigene Vorstellungen davon, wie Ägide und Menschheit organisiert sein sollten? Mit dem Artefakt kannst du deine Vorstellungen durchsetzen! Darum geht es, mein Sohn. Die Macht ist da; man muss sie ergreifen und Gebrauch von ihr machen.«
    Rahil gab noch eine Schaufel Kohle ins Feuer der Lokomotive, schloss die Klappe wieder und versuchte, seinen Groll im Zaum zu halten. Leicht fiel es ihm nicht. »Woher weißt du so genau, was es mit dem Artefakt auf sich hat? Hat dir dein Helfer davon erzählt?«
    In seinem Unterbewusstsein musste es die ganze Zeit über gearbeitet haben, und jetzt, während er noch die Schaufel in der Hand hielt, hatte er das Ergebnis klar vor Augen.
    »Das Schiff des Dutzends, das vor siebenundachtzig Jahren einen Botschafter für die Große Versammlung brachte und dann in die Arktis von Heraklon flog … Es brachte noch jemanden, nicht wahr? Seine eigentliche Mission bestand darin, jemanden zum Artefakt zu bringen. Einen Wissenschaftler? Einen Archäologen? Mit wem hättest du hoffen können, Kontrolle über das Artefakt – die Superschmiede – zu erlangen?«
    Coltan schwieg.
    »Mit einem Schmied!«, sagte Rahil. »Das Schiff hat einen Schmied zum Artefakt gebracht!«
    »Glaubst du?«, fragte Coltan, und seine Stimme klang seltsam.
    »Wer ist es?«, stieß Rahil hervor und fragte sich für einen schweren, düsteren Moment, ob alles verloren war, ob dieser Mann, sein Vater – mit leeren Händen, ohne eine Waffe – den Sieg errungen hatte. »Welchen Schmied hast du zum Artefakt geschickt?«
    Aber dann begriff er, dass etwas nicht stimmte. Das Schiff des Dutzends war vor siebenundachtzig Jahren nach Heraklon gekommen, und das Artefakt – die Superschmiede – hatte weiter geschlafen, bis vor etwa sieben Monaten. Wenn damals wirklich ein Schmied im Auftrag des Dutzends das seltsame, aus der Zukunft stammende Objekt in der Arktis dieses Planeten erreicht hatte: Warum war er erst Jahrzehnte später aktiv geworden? Und warum fraß das Artefakt den Planeten?
    Und warum war Coltan, Oberhaupt der Tennerits und Regent des Dutzends, hier auf Heraklon? Warum hatte er sich, obwohl sein Schmied im oder beim Artefakt war, selbst hierher auf den Weg gemacht? Warum setzte er sich solchen Gefahren aus, und warum hatte er seinen Sohn von einem Ascar suchen lassen?
    Er hat den Ascar beauftragt, mich zu ihm zu bringen, weil er meine Hilfe braucht, dachte Rahil und versuchte, Ordnung in seine umherwirbelnden Gedanken zu bringen. Aber wozu braucht er meine Hilfe? Bisher war er davon ausgegangen, dass Coltan seine Exekutor-Privilegien benötigte, aber angesichts der derzeitigen Lage auf Heraklon ließ sich damit nicht mehr viel anfangen.
    »Woran denkst du, mein Sohn?«
    Nenn mich nicht so, verdammt, dachte er und sagte: »Ich denke an die Pläne, die dein krankes Hirn geschmiedet hat.« Geschmiedet, wiederholte er in Gedanken; das ist der richtige Ausdruck. »Aber etwas ist schiefgegangen, nicht wahr? Der Schmied, den du vor siebenundachtzig Jahren nach Heraklon geschickt hast … Er hätte das Artefakt längst für dich sichern sollen. Aber es schlief weiter und erwachte erst vor sieben Monaten. Ganz offensichtlich hat der Schmied nicht die Arbeit geleistet, die du von ihm erwartet hast.«
    Die Lokomotive fuhr an einem Schuppen vorbei, und Rahil sah aus dem Fenster. Keine zweihundert Meter entfernt gab es weitere Gebäude und ein Gewirr aus Gleisen. Er schob den Fahrthebel in

Weitere Kostenlose Bücher