Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
Vom Netzwerk:
aggressiv?«, sagte der Milwee, bei dem alles wie eine Frage klang. Er war der Einzige, der nicht saß, sondern in einer Ambientalblase am Tisch schwebte. Seine Luftwurzeln benötigten ein bestimmtes Gasgemisch und vertrugen keinen Sauerstoff.
    »Sie könnten uns helfen, aber sie tun es nicht«, sagte Rahil und achtete darauf, ruhig zu sprechen. »Sie warten ab.« So wie auch wir immer nur abwarten und beobachten, was auf den Gefallenen Welten geschieht.
    »Ihr Standpunkt ist uns bekannt, Rahil«, sagte Duxbery. »Vielleicht erwartet auch Sie eine Überraschung. Vielleicht sind die Hohen Mächte bereit, uns zu helfen.«
    »Wissen wir mit Bestimmtheit, dass zwischen dem Artefakt auf Heraklon und den Hohen Mächten ein Zusammenhang besteht?«, fragte der insektoide Panyko. Er sprach, indem er seine dünnen Flügel vibrieren ließ. Ein Resonanzkörper unter ihnen empfing die Vibration und verwandelte sie in verständliche Laute.
    »Sie haben es gesehen«, fügte der Aun Kolikas hinzu. »Mit Ihren eigenen Augen. Sie waren dort. Was können Sie uns sagen, Missionar Tennerit?«
    »Ich bin vor einigen Monaten dort gewesen, als das Artefakt noch schlief«, antwortete Rahil. »Den Archäologen war es noch immer nicht gelungen, das Objekt zu öffnen.« Er zögerte und sah ihn vor dem inneren Auge: den schwarzen Oktaeder, ein Stück eingefangene Nacht, umgeben vom Eis der Arktis. Er hatte dort gestanden, in einen Thermoanzug gehüllt, nur wenige Meter von dem schwarzen Objekt entfernt, dessen Außenfläche nicht einen einzigen Kratzer aufwies. Und wie bei einem Eisberg war nur die Spitze zu sehen; der weitaus größere Teil steckte im steinhart gefrorenen Boden. Er erinnerte sich an die Gerätschaften der Archäologen und anderen Wissenschaftler, an die Gerüste, die das Artefakt wie mit einem Käfig umgaben. Er erinnerte sich daran, vorgetreten zu sein, die Hand ausgestreckt und das Objekt berührt zu haben. Und er erinnerte sich … an was? An eine Stimme? Nein, es war keine Stimme gewesen, eher das Gefühl, dass eine Stimme möglich gewesen wäre.
    »Rahil?«, fragte der Greis, als er zu lange schwieg.
    »Etwas befindet sich in dem Artefakt«, sagte er. »Ich habe es gespürt.« Es hat geschlafen, wie das Artefakt selbst, dachte er. Aber dann ist es erwacht. Habe ich es geweckt? Dieser Gedanke kam ihm zum ersten Mal, und er erschreckte ihn. Hatte er mit der Außenhülle des Artefakts auch das Etwas darin berührt?
    Bin ich für das verantwortlich, was sich jetzt auf Heraklon anbahnt?, dachte er.
    »Rahil?«, fragte Duxbery erneut. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?« …
    * * *
    »Rahil?«, fragte jemand, und es war eine andere vertraute Stimme. Sie kam von seinem Vater.
    Rahil blinzelte und merkte, dass ihn die beiden Männer, deren Namen er nicht kannte, noch immer festhielten, offenbar um zu verhindern, dass er sich den Biomorph vom Nacken riss. Er befand sich nicht an Bord eines Shifters, unterwegs zu den Hohen Mächten, sondern in einem Flugboot, das sich gerade zur Seite neigte und den Kurs änderte. Offenbar leuchtete noch immer die Polis am Nachthimmel über der Schlucht, denn der Fluss – jetzt nicht mehr zwei Kilometer tief unten, sondern ganz nahe – reflektierte ihr Licht. Sie schwebten, von den Rotoren angetrieben, an einem Wasserfall vorbei, dessen Gischt an die Fenster spritzte, und erreichten die Öffnung eines kleineren, nach Norden führenden Tals.
    Rahil fühlte die Hand seines Vaters am Hals, dicht beim Biomorph. »Hörst du mich, Junge?«
    »Er hört Sie, Sire«, sagte die Frau mit dem kurzen schwarzen Haar. Neben ihr saß Sammaccan und rührte sich nicht.
    »Was empfängst du von ihm, Delana?«
    »Die Erinnerungsbilder sind klar, und manchmal höre ich auch die Worte, die gesprochen worden sind.«
    »Eine … Telepathin?«, brachte Rahil hervor. Die Zunge war ihm erneut im Weg, wie beim Erwachen in der Höhle des Verwahrers. Unterhielt sein Vater Kontakte mit Blackbird am Rand des Sagittariusbruchs?
    »Nimm die anderen Erinnerungen auf, mein Sohn«, sagte Coltan. »Und verlier dabei keine Zeit mit Nebensächlichkeiten. Konzentrier dich auf das Wesentliche.«
    Rahil versuchte, Widerstand zu leisten, aber ohne die Hilfe der Femtomaschinen zerbröckelten die mentalen Mauern schnell. Seine Augen blieben geöffnet, doch das Flugboot verschwand.
    * * *
    »Wenn das eine Polis ist, so entspricht sie nicht dem üblichen Muster«, sagte die Kzosek-Frau mit quietschender Stimme. Rahil vermied es, sie anzusehen.

Weitere Kostenlose Bücher