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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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Bildnisse von bemerkenswert menschenähnlichen Geschöpfen, die mindestens so ernst wirkten wie Cuaresma. Ein Schatten von Trauer schien auf ihnen allen zu liegen. »Wo ist die Wirklichkeit?«
    Niemand reagierte auf seine Worte, und Rahil begriff, dass er sie gar nicht gesprochen hatte, zumindest nicht hier, an diesem düsteren Ort ohne das Lied der Kosmischen Enzyklopädie.
    »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, stammt diese … Polis von Sekundären«, sagte Osbeck Acerra Duxbery. Seine Worte galten dem Geschöpf, das sie durch den Korridor führte und aussah wie ein nackter, geschlechtsloser Mensch mit goldener Haut. Rahils erweiterte Wahrnehmung vermittelte ihm widersprüchliche Eindrücke. Das Wesen, das sie im Hangar empfangen hatte, wurde mal größer, mal kleiner, und in Abständen von mehreren Sekunden veränderten sich Masse und Gestalt. Vielleicht gewährten ihm die Femtomaschinen Blicke auf das ganze Spektrum von Gestalten, in denen sich dieser Repräsentant der Hohen Mächte manifestieren konnte.
    »Dies ist keine Polis«, sagte der goldene Mensch und sprach überraschend sanft, »sondern die sogenannte Erste Station. Für die Exklusiven hatte es den ersten Schritt zu einer neuen Existenz darstellen sollen.«
    »Die Exklusiven?«, wiederholte Duxbery. Sie blieben vor einer der Statuen stehen, und Rahil sah zu ihr hoch. Das Gesicht weit oben, dunkel wie Obsidian, schien ihm von einer unermesslichen Tragödie gezeichnet, als hätten jene Augen das Leid von tausend Welten gesehen.
    »Diesen Ruf haben sie sich erworben«, sagte der Goldene, der seinen Namen nicht genannt hatte, als spielte er keine Rolle. »Sie zogen sich zurück, lange bevor wir mit dem Bau der Heimstatt begannen. Die Frage, warum sie solchen Wert darauf legten, allein zu sein, können nur sie beantworten.«
    »Waren es Primäre?«
    »Ja, sie gehörten zu den ersten Zivilisationen, die sich in Ihrem Universum entwickelten.«
    In Ihrem Universum, wiederholte Rahil in Gedanken. Bedeutete das, der Goldene stammte aus einem anderen?
    In seinem Kopf bewegte sich etwas, kroch durch die Gedanken und versuchte, einige von ihnen beiseitezuschieben. Nein, dachte Rahil, während Stimmen um ihn summten, ohne dass er darin eine Bedeutung erkennen konnte. Nein, ich bin mein eigener Herr.
    * * *
    »Sire … Er wehrt sich, Sire.«
    Rahil spürte, wie der Körper, in dem er steckte – dieser Körper – zu zittern begann.
    »Kann er trotz der Interdiktion auf seine Femtomaschinen zugreifen?«
    »Nein, Sire. Das ist ausgeschlossen. Sie sind inaktiv. Aber er wehrt sich. Ich weiß nicht, wie er es schafft.«
    Zwei graue Augen erschienen vor Rahil, ihr Blick kühl. »Ich habe da eine Vermutung … Sei vorsichtig, Delana. Bring nichts durcheinander.«
    »Ja, Sire.«
    Von einem nahen Wasserfall stammende Gischt schlug sich auf den Fensterscheiben des Flugboots nieder, als es, gelenkt von den kleinen Rotoren, durch die Schlucht nach Norden flog, dem Artefakt entgegen.
    Ich bin schon einmal dort gewesen, dachte Rahil benommen. Und ich habe etwas darin gespürt.
    * * *
    »Die Exklusiven versuchten, ihr eigenes Universum zu schaffen, einen Kosmos ganz für sich allein«, sagte der goldene Humanoide. Sie näherten sich der großen, wie Bronze glänzenden Tür am Ende des Flurs. »Es waren Primäre, aber sie haben sich überschätzt.«
    Der greise Duxbery fragte: »Auch Primäre können Fehler machen?«
    Der Goldene blieb vor der Tür stehen. »Niemand ist vor Fehlern gefeit, Kurator. Es wäre dumm, das Gegenteil zu behaupten. Der Kluge lernt aus seinen Fehlern.«
    »Vielleicht haben auch Sie einen Fehler gemacht«, sagte Cuaresma von der Unionskonferenz. »Vielleicht ist dies eine Gelegenheit für Sie zu lernen.«
    »Sie meinen Heraklon und das Artefakt.« Der goldene Humanoide sprach noch immer ruhig und sanft. »Ihre Worte sind zweckorientiert, Gesandter. Ihnen fehlen wichtige Informationen, um zu beurteilen, ob die Hohen Mächte in diesem Zusammenhang einen Fehler gemacht haben oder nicht.«
    »Sie könnten uns die fehlenden Informationen geben«, sagte Duxbery.
    »Das könnten wir, ja«, erwiderte der Goldene. »Aber wir ziehen es vor, das nicht zu tun.«
    Als er die große Tür öffnete, fragte Rahil: »Was ist aus den Exklusiven geworden?«
    Die goldene Gestalt zögerte. »Sie verschwanden in dem von ihnen selbst geschaffenen Universum. Nur dies ist von ihnen übrig geblieben, ihre Erste Station.«
    »Sie wissen nicht, was aus ihnen wurde?«
    »Nein. Sie

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