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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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unvorsichtige menschliche Seele im Lauf der Jahre zerfraß. Hochmut und Vermessenheit bauten diese Falle, und das menschliche Ego, oft voller Sehnsucht nach Größe, ließ sie zuschnappen. Es war nicht die eigene Macht, die der Schmied spürte. Es war die Macht einer Maschine, die er lenkte, geschaffen von primärer Technik, so leistungsfähig und fast ohne Grenzen, dass sie allen, die nicht zu den Hohen Mächten gehörten, wie Zauber erschien. Das durfte der Schmied nicht vergessen.
    Eine Maschine, die ihm Macht lieh, über ein Interface, das seinen ersten Besuch genutzt hatte, ihn zu sondieren. Jetzt verband es sich mit ihm, und die Bandbreite – wenn dieser Ausdruck angemessen war – wuchs.
    Rahil achtete nicht auf seinen Vater, ging zur immer noch weinenden Jazmine und ergriff ihre Hand. »Komm, Schwester. Ich zeige dir das Kontrollzentrum.«
    Sie richtete einen forschenden Blick auf ihn. »Aber die Tür … Sie lässt sich nicht öffnen.«
    »Ich öffne sie«, sagte Rahil. »Ich höre die Stimmen aus dem Flüstersaal, und sie erklären mir, wie man die Tür öffnet.
    »Du bist … anders, Rahil.« Jazmines Tränen versiegten, und sie musterte ihn aufmerksam. »Was ist mit dir passiert?«
    »Ich bin der Schmied«, erwiderte er.
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    Es gab noch Fragen, und eine von ihnen stellte Rahil, als sie die große Tür am Ende des Flurs mit den leeren Bildern erreichten, ihr Holz so alt, dass es wie versteinert wirkte.
    »Wie konnte ich in einem Uterus zum Schmied werden?« Rahil blieb vor der Tür stehen und sah auf die Klinke hinab, die er schon einmal gedrückt hatte. Bei jener Gelegenheit war die Tür geschlossen geblieben, aber diesmal würde es anders sein.
    Komm zu mir.
    Gleich, dachte Rahil. Gleich komme ich zu dir, wer auch immer du bist.
    Sein Vater starrte ihn entgeistert an. »Was soll das jetzt, Junge? Mach die Tür auf!«
    »Deine Leute haben Jazmines Gene und meine im Mutterleib manipuliert«, sagte Rahil. Das Verträumte war noch immer da, eine Auswirkung der Interface-Verbindung, wie er inzwischen wusste, aber in diesem Traum bewegten sich seine Gedanken mit gelassener Klarheit. »Oder noch früher, bei einer einfachen externen Befruchtung. Später hast du Jazmine in einer Brutmaschine der Diaspora herangezüchtet, ohne das gewünschte Ergebnis zu erzielen.« Sein Blick ging kurz zu Jazmine, die bei den anderen stand und ihm zuhörte, in den Augen ein seltsamer Glanz. »Aber bei mir hat die Brutmaschine nicht funktioniert. Deshalb hast du mehrmals versucht, mich in deine Gewalt zu bekommen, und schließlich gelang es dir sogar, mich zum Artefakt zu schicken. Du konntest natürlich nicht damit rechnen, dass mich meine Schwester ersticht.«
    »Junge …«, begann Coltan in einem drängenden Ton.
    »Wir bleiben hier so lange stehen, wie ich es für richtig halte, Vater«, sagte Rahil ruhig und bestimmt. »Bis du mir Antwort gegeben hast. Eine biologische Schmiede, ein Uterus, korrigiert genetische Fehler bei Wiederherstellungen. Die Manipulation hätte als ein solcher Fehler erkannt werden müssen.« Rahil hob die Arme, und seine Geste galt dem ganzen Artefakt. »Wieso habe ich mich trotzdem zu einem Schmied entwickelt?«
    »Gene lernen«, sagte der Mann von der Ägide. »Der Ippakao an Bord der Station von Ganska hat den Uterus gesteuert und die Korrekturen aufs Notwendige beschränkt. Aber das allein genügte nicht. Wir verwendeten Ihre DNS von Heraklon, zusammen mit dem Code Ihrer Biosignatur; uns standen also junge Daten zur Verfügung.
    »Gene lernen«, wiederholte Rahil und begann zu verstehen. »Die Kosmische Enzyklopädie, nicht wahr?«
    »Ja«, bestätigte Joyce. »Sie sind schon früh süchtig geworden, ohne es zu merken.«
    »Ich habe andere Leute gekannt, die süchtig waren, aber nie mand von ihnen hätte sich träumen lassen, die Fähigkeiten eines Schmiedes zu entwickeln.«
    »Der genetische Eingriff führte zu einer Prädisposition«, erklärte Joyce. »Jeder Kontakt mit der Kosmischen Enzyklopädie verankerte Erfahrungen in Ihnen, und Ihre Gene nahmen diese Erfahrungen auf. Der Schmied wuchs in Ihnen, ohne dass Sie etwas davon ahnten, und diese Veränderungen erkannte der Uterus in der Ganska-Station nicht als › Fehler ‹ , den es zu korrigieren galt.«
    »Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Kosmischen Enzyklopädie und den Schmieden, nicht wahr?«
    »Wir vermuten es seit Langem«, sagte Joyce.
    Bei Rahil war es mehr als nur eine Vermutung. Im größer gewordenen Spiegelsaal hatte er

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