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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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war er?«, fragte Joyce und sah noch immer zum Podium hoch, zu der Gestalt im nach hinten geneigten Sessel.
    »Ein Missionar«, sagte Rahil. Es entsprach nicht ganz der Wahrheit, wurde ihm intuitiv klar, aber es handelte sich um eine durchaus angemessene Analogie. »Oder besser noch, eine Art Exekutor. Er war ein Mensch.«
    Ich bin es noch immer.
    Ich weiß, dachte Rahil. Du hast lange durchgehalten. Selbst für jemanden wie dich war es schwer.
    »Ein Mensch?«, fragte Coltan skeptisch.
    Jazmine wandte sich von den fraktalcodierten Kickouts an den Wänden ab und kam langsam näher. Der Wahnsinn in ihr schlief und ließ Platz für Neugier. Sammaccan stand zwei Schritte hinter Coltan und Joyce und versuchte zu verstehen, was geschah.
    »Ja, ein Mensch«, sagte Rahil und empfing weiteres Wissen. »Aus einer fernen Zukunft, in der die Menschen aussehen wie er.«
    »Was soll das, Junge? Was phantasierst du dir da zusammen? Wenn dies das Kontrollzentrum ist … Wo sind dann die Kontrollen?«
    »Sie sind in meinem Kopf, Vater«, erwiderte Rahil. »Ich bin der Schmied.«
    »Dann übernimm die Kontrolle, Junge. Deshalb sind wir hier. Übernimm die Kontrolle, bevor es den Seglern gelingt, Akku mulatoren und Integratoren hierherzubringen. Unterschätze sie nicht; bestimmt sind sie schon dabei, das Problem der Absorption zu lösen. Und die anderen Gefallenen Welten könnten ebenfalls Schmiede vorbereitet haben.«
    »Und auch die Ägide«, warf Joyce ein. »Es sind mehrere Rahils in den Einsatz geschickt worden.«
    »Einen von ihnen habe ich tot gesehen, im Konsulat von Lautaret«, erinnerte sich Rahil. Es war der echte Rahil gewesen, den Milissa Gauwain erwähnt hatte, und er war als Missionar der Ägide gestorben.
    Du lebst als Schmied , sagte der Pilot.
    »Bitte, Junge«, drängte Coltan. »Lass nicht zu, dass uns jemand zuvorkommt.«
    Wir haben Zeit, nicht wahr?, fragte Rahil mit der inneren Stimme.
    Du mehr als ich , antwortete der Pilot. Wenn du willst.
    Spielt es eine Rolle, was ich will?
    Du bist kein Werkzeug, Rahil Tennerit. Du kannst entscheiden. Du hast einen freien Willen.
    Der freie Wille ist eine Illusion, dachte Rahil und öffnete sich weiter dem Wissen. Er hörte die Stimmen der Programmbibliotheken laut und deutlich, jede einzelne von ihnen, und sie erzählten von den Möglichkeiten des Artefakts. Hier ist eine Kraft, die Materie in ihre Bestandteile zerlegt, nicht auf dem quantenmechanischen Niveau, sondern darunter, im Bereich der Strings und ihrer Schwingungen, die das Sein bestimmen, flüsterte eine dieser Stimmen, die erklärende und erläuternde. Es ist diese Kraft, die damals freigesetzt wurde, als das Artefakt erwachte. Sie nahm die planetare Substanz auf und zerlegte sie in ihre Bestandteile, schuf auf diese Weise die elementarste aller Basismassen, um vorbereitet zu sein für die vom Schmied bestimmte Produktion. Aber es war kein Schmied da, der entschied, was produziert werden sollte, und auch niemand, der die Superschmiede anwies, ihre Produktionsvorbereitungen einzustellen.
    Andere Stimmen erzählten von den Komponenten der elementaren Masse, in die das Artefakt Teile des Planeten verwandelte. Sie beschrieben dem Schmied, wie sie zusammengesetzt werden konnten, um die gewünschten Eigenschaften und Funk tionen zu erhalten. Maschinen für die Gewinnung geothermischer Energie aus den Kernen von Planeten; Sonnenzapfer, für die Koronen von Sternen bestimmt, erstaunlich filigrane Gebilde mit Wurzeln im nuklearen Plasmabrodeln; Vakuumpum pen, weitaus leistungsfähiger als jene, die einst in den Sagittarius-Energiesenken verwendet worden waren; Maschinen, die Raum und Zeit verändern konnten. Wo lagen die Grenzen der Phantasie? Das Artefakt, die Superschmiede, war das Werkzeug, der Hebel, der den Produktionsprozess in Bewegung setzte. Der Geist des Schmieds, seine Gedanken, seine Kreativität setzten den Hebel an, gaben Form und Inhalt.
    Rahil begriff plötzlich, dass ihm eine Schöpfungsmaschine zur Verfügung stand. Sie konnte keine neuen Welten schaffen, wohl aber Werkzeuge, die Welten veränderten. Ich bin Exekutor der Ägide, dachte er in einem Anflug von Selbstironie. Ich bin befugt, mich über die Regeln hinwegzusetzen. Ich darf tun, was ich für richtig halte.
    Nur eine Sekunde war vergangen, und die Stimme des Piloten kehrte zu Rahil zurück.
    Das stimmt, Rahil , pflichtete ihm der Pilot bei. Der freie Wille ist eine Illusion, denn die Umstände zwingen uns bestimmte Entscheidungen auf. Ich habe

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