Artefakt
beobachtete den dunklen Pfeil des Disruptors. Er war noch nicht ganz auf Einsatzreichweite heran, aber seine Farbe veränderte sich.
»Die Annihilation hat begonnen«, sagte die Maint. »Der Disruptor verwandelt seine Masse in Energie. Die Schockwelle trifft uns in … vierzig Sekunden. Exekutor?«
Rahil überlegte mit beschleunigten Gedanken. Normalerweise hätte er sich sofort für Tavalis entschieden, aber wenn der Verfolger wirklich ein Schiff der Hohen Mächte war, konnte er vielleicht dafür sorgen, dass die Polis ein Empfangskomitee schickte, wenn der Shifter bei ihr in den Normalraum zurückkehrte. Bousqute im Haroun-System lag direkt am Sagittariusbruch und gehörte zu den Gefallenen Welten. Auch von dort aus ließ sich Heraklon erreichen, allerdings nur über Umwege, und vielleicht wäre ihnen wegen der Nähe des Bruchs nichts anderes übriggeblieben, als einen Sprungvektor zu benutzen. Noch schlechter sah es mit Kedra aus, einer unabhängigen Welt abseits der zentralen Routen. Dort gab es vielleicht nicht einmal geeignete Sprungsektoren.
Lucrezia, dachte er plötzlich. Sie hatte vor zwanzig Jahren ihre Tätigkeit als Missionarin beendet und sich nach Kedra zurückgezogen, um dort ein Depot der Ägide zu verwalten. Seit damals hatte er nichts mehr von ihr gehört.
»Kedra«, sagte Rahil. »Bring uns nach Kedra.«
Der Avatar verschwand, das Schiff handelte.
Die Wände wurden undurchsichtig, sperrten den Glanz des M-Raums und das Gleißen des Disruptors aus, der seine Masse in Energie für eine Schockwelle verwandelte. Für ein oder zwei Sekunden schien etwas an Rahil zu zerren – ein Gewicht hing an jeder einzelnen Körperzelle. Dann kam ein Grollen von den Variatoren im Heck, wie der Donner eines aufziehenden Gewitters, und das Zerren hörte auf.
»Wir haben den Transit unterbrochen«, verkündete die Maint.
»Statusanzeige«, sagte Rahil. »Und Tarnmodus.«
»Tarnmodus ist aktiviert, Exekutor. Passive Fahrt. Nächste notwendige Kurskorrektor in zehn Minuten. Keine aktiven Sondierungssignale.«
Ein holografischer Darstellungsbereich öffnete sich zwischen Rahil und Sammaccan, und darin loderte das sterbende Feuer eines roten Riesen. Der Polymorphe wich unwillkürlich einen Schritt zurück und hob wie zum Schutz beide Hände vors Gesicht.
»Das ist Otiz«, sagte Rahil. »Einst eine gelbe Sonne wie die von Heraklon. Doch dann ging ihr Brennstoff zur Neige, und sie blähte sich immer mehr auf. Die beiden inneren Planeten sind ihr schon zum Opfer gefallen, und der dritte hat sich vor langer Zeit in eine leblose Wüste verwandelt. Doch die Hitze, die alles Leben auf ihm verbrannte, schmolz vor etwa zehntausend Jahren den Schnee und die Gletscher des vierten Planeten, der bis dahin eine Eiswelt gewesen war, und zum Vorschein kamen die Träumenden Städte einer vor Jahrmillionen untergegangenen Zivilisation.«
Sammaccan sah ihn neugierig an; vielleicht erwartete er noch weitere Erklärungen von ihm, aber Rahil dachte an Lucrezia und fragte sich, ob sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr über die alten Städte herausgefunden hatte.
»Kein Verfolger in Sicht«, sagte die Maint. »Keine verdächtigen energetischen Aktivitäten.«
Otiz schrumpfte, und blinkende Punkte erschienen oberhalb der Ekliptik des Otiz-Systems. »Vier Schiffe im zwei Lichttage entfernten Sprungsektor. Keine Fraktale. Keine Anzeichen von Aktivität der Hohen Mächte.«
»Was nicht viel bedeutet«, murmelte Rahil. »Sie wissen sich gut zu tarnen, viel besser als wir. Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, dass jemand unsere Ankunft bemerkt hat?«
»Nein, Exekutor. Soll ich uns beim hiesigen Depot der Ägide anmelden? Wir könnten die dortigen Kommunikationseinrichtungen nutzen und …«
»Nein«, sagte Rahil. Er hob die Hände, betätigte die virtuellen Kontrollen des Statusfensters und holte den vierten Planeten Kedra heran, eine Welt in Grau und Grün, darüber, wie ein silbernes Schmuckstück, das alte Habitat der Ereignis -Flüchtlinge. »Nein«, wiederholte Rahil nachdenklich. »Wir melden uns nicht an. Niemand soll wissen, dass wir hier sind, bis auf … Übermittle der Depotverwalterin eine Nachricht, aber so, dass sie nicht zu uns zurückverfolgt werden kann.«
»Wie lautet die Nachricht, Exekutor?«
Rahil erinnerte sich an die letzte Begegnung mit Lucrezia, vor zwanzig Jahren. Vor einundzwanzig Jahren, korrigierte er sich – das Image war ein Jahr alt. »Frag sie, ob sie inzwischen herausgefunden hat, wie viele
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