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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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Augenbündeln, schwankte erneut, und Rahil hörte das leise Brummen der Minimotoren wie das Summen eines nahen Insektenschwarms. Die Waffe in der Krallenhand zischte wie eine Schlange und spuckte einen weiteren kleinen Giftpfeil, der etwas anders heulte als die ersten drei und außerdem seine Flugbahn veränderte, als sei er in der Lage, das Ziel selbst anzuvisieren.
    Rahil, bereits auf dem Weg zur zweiten Tür des Werkstatt-raums, zog daraus den Schluss, dass sich die Ehrenregeln des Ascar geändert hatten. Er erinnerte sich nur vage daran, denn es lag viele Jahre zurück, dass er sich zum letzten Mal mit den Ascar beschäftigt hatte – die Datenbanken der Rüstung hätten ihm Auskunft geben können.
    Die Rüstung …
    Sie hatte noch immer die Struktur von Kleidung, als er mit ihr die zweite Tür erreichte, verfolgt vom Geschoss aus der Waffe des Ascar. Es traf ihn am Rücken, als er die Tür aufstieß, und mit der freien Hand griff Rahil nach dem kleinen Bolzen und riss ihn aus der Wunde, bevor er sich ganz in seinen Körper bohren konnte. Wieder fühlte er brennenden Schmerz, der fast sofort einer sich schnell ausbreitenden Taubheit wich. Es gelang ihm noch, die Tür hinter sich zuzuwerfen und zu blockieren, indem er »Zugang sperren!« hervorstieß, dann gaben die Beine unter ihm nach, und er sank auf den Teppichboden des Salons von Lucrezias Apartment. Während sich die Femtomaschinen in ihm erneut daranmachten, das Toxin zu neutralisieren – was diesmal, trotz der größeren Dosis, schneller gehen sollte, da sie es bereits kannten –, zerrte Rahil an seiner Kleidung und versuchte, sich von ihr zu befreien. Seine Wahrnehmung war nicht mehr geschärft, da es für die Femtomaschinen andere Prioritäten gab, und er hörte nichts hinter der geschlossenen Tür. Wie viel Zeit blieb ihm, bis es dem Ascar gelang, die Tür zu öffnen oder einen anderen Zugang zum Apartment zu finden? Dreißig Sekunden? Vielleicht sogar eine ganze Minute? Würde er es wagen, die Tür zur sprengen? Nein, wohl kaum. Er hatte offenbar den Auftrag erhalten, sein Opfer gefangen zu nehmen, nicht zu töten, und eine Explosion hätte die Integrität des Habitats gefährdet. Vielleicht wäre es zu einer explosiven Dekompression gekommen, mit unabsehbaren Folgen.
    Im Halbdunkel sah Rahil einen Fleck, der über dem Verriegelungsmechanismus der Tür erschien, heller und breiter wurde. Offenbar hatte der Ascar seine Waffe auf energetische Emissionen umgeschaltet und schickte sich an, das Schloss aus der Tür zu brennen.
    Weg mit dem Hemd, auch mit der Hose. Rahil lag auf dem Rücken, rutschte weiter von der Tür fort und fühlte sich von einem leichten Prickeln erfasst, als er die Rüstung überzustreifen begann.
    »Kommunikation!«, stieß er hervor und verfluchte die Taubheit, die vom Rücken bis in die Beine reichte und nur langsam nachließ.
    Keine Antwort.
    »Depot, Kommunikation, hier spricht Rahil Tennerit, in Diensten der Ägide. Ich bin mit Exekutor-Privilegien ausgestattet. Identifiziere mich mithilfe des Bestätigungssignals meiner Femtomaschinen.«
    Wieder blieb alles still, bis auf ein dumpfes Sirren, das von der Tür kam.
    »Dies ist ein Notfall«, fuhr Rahil fort und zog das Empirion an sich hoch. »Die Depotverwalterin Lucrezia Andalora schwebt in Lebensgefahr und braucht sofortige medizinische Hilfe.«
    Niemand antwortete, abgesehen vom Sirren, das ein wenig lauter wurde.
    Am Unterleib, zwischen den Beinen und im Kreuz spürte Rahil plötzlich stechenden Schmerz, als sich die Rüstung mit seinem Nervensystem verband, während die Femtomaschinen noch damit beschäftigt waren, das Toxin zu neutralisieren. Es schien etwas länger zu dauern als sonst, alle Verbindungen herzustellen, und vor Rahils innerem Auge erschienen die vertrauten Auswahlmenüs. Die Programmbibliotheken rührte er nicht an, entschied sich für die wichtigsten Optionen und spürte, wie die neuronale Stimulation begann und ihn neue Kraft durchströmte, als die Femtomaschinen auf die Energiezellen der Rüstung zurückgreifen konnten.
    Rahil war mit einem Satz auf den Beinen und lief durch die Wohnung, spürte dabei die leichten Unterschiede der von Mikrogravitatoren geschaffenen Schwerefelder und passte seine Schritte automatisch an. Eine herrliche Leichtigkeit von Körper und Geist erfüllte ihn, als die Rüstung Denken und Reflexe beschleunigte – der Nebel zwischen seinen Gedanken lichtete sich, und die Schwere wich aus den Muskeln. Was zuvor in der Düsternis

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