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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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die Kapuze über den Kopf gezogen.
    »Was legt man mir zur Last?«, fragte Rahil, obwohl er die Antwort kannte.
    »Die Ermordung von Lucrezia Bonavista«, antwortete die zweite Drohne. »Wir sind beauftragt, Sie in Gewahrsam zu nehmen, bis alle Umstände des Verbrechens geklärt sind und eine Verhandlung stattfinden kann.«
    Hinter den beiden Justizdrohnen trat eine große, hagere Gestalt in den Lichtschein der mobilen Lampe, die mehrere Meter über den Drohnen schwebte, von einem Mikrogravitator gehalten – die Böen konnten sie nicht einmal einen Millimeter weit bewegen. Unter dem Hut mit der breiten Regenkrempe zeigte sich das Gesicht eines Mannes fortgeschrittenen Alters, das Gesicht von Falten durchzogen, mit staubgrauen Augen, die Nase lang und schmal, die Lippen dünn und blutleer.
    »Ich möchte wissen, warum Sie es getan haben«, sagte der Mann mit brüchiger Stimme, darin der Klang von Zorn und Schmerz. »Warum haben Sie Lucrezia umgebracht?«
    Weiter entfernt, in Regen und Nacht, standen Leute, die Ra hil ohne die Erweiterung seiner Sinne nicht bemerkt hätte, Archäologen und Angehörige des technischen Personals. Er achtete nicht auf sie und konzentrierte sich auf den Mann. Fünfundzwanzig Jahre waren vergangen, und die Zeit war nicht spurlos an ihm vorübergegangen.
    »Wir haben niemanden umgebracht!«, sagte Sammaccan. »Wir …«
    Rahil legte ihm die Hand auf die Schulter. »Erkennst du mich nicht?«, fragte er Durrwachter. »Vor zweieinhalb Jahrzehnten habe ich dir auf Greenrose viel Glück bei dem Versuch gewünscht, die Kosmische Enzyklopädie zu entschlüsseln.«
    »Was?« Durrwachters graue Augen wurden größer. Tief in ihnen brannte das Feuer der Besessenheit noch heißer als damals. Er schien inzwischen gelernt zu haben, es zu verbergen, und ein unaufmerksamer Beobachter hätte es vielleicht nicht bemerkt. Aber Rahil kannte jene Glut, das Verlangen nach dem Lied der Kosmischen Enzyklopädie. Bei Durrwachter war es so übermächtig geworden, dass er ihm sein ganzes Leben verschrieben hatte. »Rahil? Bist du das?« Er trat neben die Drohne, deren Waffen noch immer auf Rahil und Sammaccan zeigten. »Aber … Meine Güte, du hast dich überhaupt nicht verändert! Du bist nicht einen Tag älter.«
    Nach meiner Wiederherstellung bin ich sogar etwas jünger als damals, dachte Rahil. Er wies seine Femtomaschinen an, die Autorisierungssignatur zu übermitteln, und die beiden Justiz drohnen ließen sofort ihre Waffen sinken. »Bestätigung«, schnarr te die erste Drohne. »Wir warten auf Ihre Anweisungen, Exekutor Tennerit.«
    »Ich ordne Wachdienst an, für euch und alle anderen Drohnen im Lager«, sagte Rahil sofort. »Für eine Stunde ist das Kickout Sperrgebiet. Zugang haben nur Durrwachter, mein Assistent und ich.« Aus dem Augenwinkel sah er, wie Sammaccan bei den letzten Worten tief durchatmete und stolz das Kinn hob.
    »Zu Befehl, zu Befehl«, antworteten die beiden Drohnen, drehten sich um und stapften durch den Regen davon.
    »Was ist los?«, fragte Durrwachter besorgt. Er erinnerte sich an die Waffe in seiner Hand und steckte sie ein. »Was ist im Habitat passiert? Wer hat Lucrezia getötet?«
    »Bitte bring uns zum Fraktal«, sagte Rahil. »Unterwegs erkläre ich dir alles.«
    »Ihr wollt das Frachtfraktal benutzen?«, erwiderte Durrwachter erschrocken. »Es ist für Fracht bestimmt und für Personen ungeeignet. Es fehlen Kompensatoren.«
    Zusammen mit Sammaccan trat Rahil aus dem gelandeten Inspektionsmodul und wurde sofort vom Wind erfasst, der durch eine breite Lücke zwischen den Frachtbehältern fauchte. Regen klatschte ihm ins Gesicht. »Habt ihr Neutro?«
    »Für den Notfall, ja.«
    »Dies ist ein Notfall.«
    Sie schritten durch den Regen, im Lichtschein der mobilen Lampe, die ihnen durch die Nacht folgte. Als sie den Kreis der Frachtbehälter verließen, wurde der Wind noch stärker, und Rahil beobachtete, wie Sammaccan die Kapuze zuschnürte, bis nur noch ein schmaler Schlitz für die Augen übrig blieb. Regenwasser sammelte sich in großen Pfützen zu beiden Seiten der Wege, die durch das Lager der Archäologen führten, vorbei an langgestreckten Gebäuden, hinter deren Fenstern Licht brannte. Hier und dort schwebten leistungsstärkere mobile Lampen in größerer Höhe und drängten die Nacht zurück. Eine besondere Lichterkette im Norden weckte Rahils Aufmerksamkeit, denn in ihrem Schein ragte eine transparente Barriere auf, bestehend aus Polymeren und Synthmetall. Hinter dieser

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