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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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Gestalt gewechselt hatte. Wie viel Energie benötigte die Restrukturierung seines Körpers? »Können Städte träumen?«
    Rahil sah aus einem der großen Fenster zum Planeten hinab. Das Tiefdruckgebiet war ein riesiger weißer Wirbel, und der Strang des Orbitallifts führte mitten hinein. Zu befürchten gab es nichts, so stark die Winde auch sein mochten. Der Strang aus zehn Millionen Monofasern konnte enorm hohen Belastungen standhalten, und sowohl die Frachtbehälter als auch das Inspektionsmodul ließen sich mit Schirmfeldern schützen.
    »Der Name geht auf die ersten Archäologen zurück, die Kedra besuchten«, sagte er, während er an seine Mission und den Ascar dachte. »Zwei von ihnen waren latente Empathen und empfingen während des Schlafs Bilder, die sie sich zunächst nicht erklären konnten. Wie sich schließlich herausstellte, enthalten die Städte der Ausgestorbenen von Kedra Bewusstseinsspeicher, vergleichbar mit den Image-Archiven der Ägide. Dass sie nach all den Jahrmillionen nicht völlig leer sind, ist erstaunlich genug.« Rahil unterbrach sich, als er vor dem weißen Wolkenwirbel ein kleines dunkles Dreieck bemerkte, das nach Süden glitt, den Meeren von Kedra entgegen. Er vermutete, dass es sich um einen Beobachter der Aun handelte, einen Vorboten der Lebensmaschinen, die in einem Monat eintreffen sollten. Eine über die Femtomaschinen hergestellte kurze Verbindung mit der Maint des Lifts bestätigte diese Annahme.
    »Körperlose Seelen, in Maschinen gefangen?«, fragte Sammac can mit vollem Mund. Es klang halb entsetzt und halb fasziniert.
    Rahil lehnte sich in seinem Sessel zurück. Ihn quälten noch immer bange Gedanken, aber die Rüstung sorgte dafür, dass sich angenehme Ruhe in ihm ausbreitete. Diesen besonderen Zustand mochte er, ruhiges, entspanntes Nachdenken, wie zwischen Wachen und Schlafen. Deutlich spürte er die Nähe weiterer Gedanken, die darauf warteten, dass er sich mit ihnen befasste, und einige von ihnen betrafen seine Mission auf Heraklon. Sammaccan störte.
    »Erinnerungen, in besonderen Speichern abgelegt, als Botschaft für die Zukunft.« Das glaubte zumindest Durrwachter, erinnerte sich Rahil. »Leg dich hin, Sammaccan. Du musst müde sein, und es dauert eine Weile, bis wir die Oberfläche des Planeten erreichen. Schlaf.«
    »Ich bin nicht müde, Rahil Tennerit«, widersprach Sammaccan, schob den Teller ins Abstellfach der kleinen Schmiede und beobachtete interessiert, wie er sich auflöste. »Ich habe noch viele Fragen. Ich möchte mehr lernen, um ein guter Assistent der Ägide zu werden.«
    Rahil seufzte. »Du kannst mit der Maint reden, wenn du möchtest. Stell ihr die Fragen. Ich muss nachdenken.«
    Sammaccan sank in den Formspeichersessel auf der anderen Seite des Raums, direkt an einem Fenster, und griff nach dem Kommunikations-Interface – solche Geräte kannte er vom Schulungszentrum im alten Industriepark des Habitats.
    Rahil schloss die Augen.
    Er ließ sich von Ruhe umfangen, versuchte, alles andere auszublenden und zurückzukehren an den Ort zwischen Schlaf und Wachsein, in jenen besonderen Dämmerzustand, aus dem manch mal überraschende Erkenntnisse wuchsen. Dort wartete er auf die Gedanken, deren Nähe er zuvor gespürt hatte, in der Hoffnung, dass sie ihm halfen, einige seiner Fragen zu beantworten.
    Stattdessen sah er Lucrezias aufgerissene Augen, als das pfeilförmige Geschoss mit dem Toxin in ihrem Mund verschwand. Sie war tot, zweifellos. Ohne sofortige medizinische Hilfe hatte sie einen solchen Treffer nicht überleben können. Vielleicht wäre sie noch am Leben, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, die Medozentrale des Habitats zu verständigen. Es ist deine Schuld , flüsterte eine vertraute Stimme in ihm. So wie auch Jazmines Tod deine Schuld war.
    Ganz bewusst griff Rahil auf die neuronale Stimulation zurück und ließ sich von ihr dabei helfen, diese Gedanken zu verscheuchen. Ruhe. Er brauchte Ruhe.
    Er wartete, nicht ohne eine gewisse Sorge, die ihn daran hinderte, ganz den Zustand völliger Ruhe zu erreichen, denn er wusste: Wenn er nicht nur die äußeren Augen schloss, sondern auch die inneren, wenn er ganz auf Wachsamkeit verzichtete, so konnte der im Empirion vorhandene trojanische Layer eine mentale Saat ausbringen, aus der Ideen und Vorstellungen keimten, die nicht seine eigenen waren. Es bestand die Gefahr, dass er zu einer Marionette wurde, ohne etwas davon zu merken.
    Dieser Gedanke brachte Rahil zu den anderen, die sich tief im

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