Artefakt

Inspektionsmodul, ohne ihn an ihrer Kommunikation teilhaben zu lassen oder auch nur einen Hinweis darauf zu geben, worüber sie sprachen.
    »Und was ich darin sehe …«, sagte Sammaccan.
    »Es sind Vertreter der Hohen Mächte.« Rahil verspürte jähe Müdigkeit, als hätte ihm jemand von einem Moment zum anderen einen großen Teil seiner Kraft genommen.
    »Alle drei? Welche Hohen Mächte sind es? Und was machen sie?«
    »Sie beobachten uns«, sagte Rahil und wankte zu seinem Sessel zurück. Sie haben mit meinen Femtomaschinen gesprochen, dachte er. Worüber? »Zwei von ihnen könnten Gesserat sein, oder vielleicht Krion«, fügte er hinzu, als er in die Polster sank. »Bei der dritten Gestalt bin ich mir nicht sicher.«
    Auf der anderen Seite des Fensters blitzte es, und die Sphäre verschwand. Sammaccan reckte den Hals, sah aber nur Kedra und den gewaltigen weißen Wolkenwirbel, dem sie mit vierhundert Kilometern pro Stunde entgegenkrochen.
    »Leg dich hin und schlaf, Sammaccan«, sagte Rahil. »Es dauert noch einen Tag, bis wir unser Ziel erreichen. Ruhen wir uns aus, solange wir Gelegenheit dazu haben. Der Transit durch das Frachtfraktal dürfte anstrengend genug werden.«
    Er schloss erneut die Augen und schickte sein Ich noch einmal den wartenden Gedanken entgegen, aber diesmal fiel es an ihnen vorbei und auf die andere Seite der schmalen Linie zwischen Wachen und Schlafen. Worüber auch immer die Femtomaschinen mit den Vertretern der Hohen Mächte im IKV gesprochen hatten, die Kommunikation schien viel Energie verbraucht zu haben, Kraft, die nicht nur aus den Energiezellen der Rüstung kam, sondern auch aus seinem Körper.
    Rahil schlief, während die Zeit dahintropfte, Sekunden zu Minuten wurden und Minuten zu Stunden. Er schlief, und in seinen Träumen sah er die Gesichter von Toten, das Blut darin so rot wie der Schreibtisch im Arbeitszimmer seines Vaters. Die Münder der Toten bewegten sich und formten Worte, die Rahil hörte, obwohl sie lautlos blieben. »Du bist schuld«, sagten die Toten, aber sie meinten nicht ihn, sondern seinen Vater, denn er hatte sie umgebracht, wenn auch nicht – oder nicht immer – mit eigenen Händen.
    Als Rahil Stunden später erwachte, vielleicht geweckt von Sammaccans Schnarchen, fühlte er sich ausgeruht und wieder auf seine Pflicht fixiert, wie in all den Jahren, seit er Caina verlassen hatte. Sie war es, die seinem Leben Sinn gab, nach alldem, was geschehen war. Er musste seine Pflicht erfüllen, und die Mission auf Heraklon gab dieser Pflicht eine ganz neue Dimension.
    Mit diesem Gedanken schlief er wieder ein und träumte diesmal von Emily und Jazmine.

Ist nichts als Spiegelbild von deinem Sein;
Nur du bist Wahrheit, doch das Bild ist Schein.
    Hohe Worte
    16
    Der Strang des Orbitallifts sang im Sturm, der an ihm zerrte und Vibrationen schuf. Rahil hörte sein pfeifendes Lied während der letzten Kilometer, als Wolken grau wie Schiefer an den Fenstern vorbeifegten und Regentropfen wie Geschosse gegen die Scheiben hämmerten. Es wurde mal lauter, mal leiser, und klang nach einem geisterhaften Klagen, als das Inspektionsmodul in eine tiefe Schlucht sank, ausgewaschen vom Schmelz wasser der Gletscher, am Ende von Kedras Eiszeit vor zehntausend Jahren. Die Wolken blieben über ihnen zurück, und die Fenster gewährten Blick auf enorme Fluten, grau wie der Fels des Hochlands, die sich durch Strömungskanäle tiefer in die Schlucht ergossen – es sah nach dem Beginn einer Sintflut aus.
    Erschrocken wich Sammaccan ein, zwei Schritte vom Fenster zurück. »Wir werden ertrinken!«
    »Zu solchen Unwettern kommt es hier immer wieder«, sagte Rahil. »Die Archäologen sind bestimmt darauf vorbereitet.«
    Kurze Zeit später hielt das Inspektionsmodul an, und eine Stimme verkündete: »Sie haben die Bodenstation erreicht.«
    Die Tür öffnete sich.
    Wind heulte, der Strang des Orbitallifts sang, und Servomotoren surrten, als zwei Justizdrohnen mit gezückten Waffen näher stapften. Sie waren fast zwei Meter groß und unverkleidet: nackte humanoide Gestalten aus Polymeren und Synthmetall, auf der Brust das kobaltblaue Justiz-Emblem.
    »Sie sind verhaftet«, schnarrte die erste Drohne. Das Fokussierungsfeld vor der Mündung ihrer Waffe leuchtete in einem warnenden Gelb.
    Der Wind blies kalte Luft und Regenspritzer ins Inspektionsmodul. Rahil zog sich den aus der Schmiede stammenden wasserabweisenden Mantel enger um die Schultern. Sammaccan hatte seinen bereits zugeknöpft und sich