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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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angesammelte harte Lehm an der Rückseite war verschwunden.
    »Was willst du als erstes untersuchen?« fragte John.
    »Den Metallgehalt besser bestimmen. Materialanalyse. Und ich möchte diesen Zapfen röntgen.«
    »Was ist mit diesem Elfenbeinplättchen?«
    Sie seufzte. »Das hat Kontos. Ich hatte es separat verpackt.«
    »Zu dumm.«
    »Ich habe eine Anzahl Fotos.«
    Die Männer räumten das Packmaterial weg und traten zurück, um ihr Werk zu bewundern. »In Ordnung, Dr. Anderson?«
    Claire nickte und dankte ihnen.
    Der dunkle Kalksteinblock schien das Licht einzusaugen. Auf der Rückseite, wo der hartgetrocknete Lehm gewesen war, sah John ein kleines Loch. Es war mit einem gelbbraunen Zeug gefüllt. Er bückte sich näher. »Was ist das?«
    Claire machte ein erstauntes Gesicht. Sie kauerte nieder, streckte einen Finger aus und berührte das Loch. »Es war noch mit einem zähen Ton oder was bedeckt, als die Italiener den Block einpackten. Das muß auf dem Transportweg abgegangen sein. Dies hier… hmm.«
    »Was kann es sein?«
    »Eine Art Stöpsel, denke ich. George und ich gaben acht, daß der festgebackene Lehm an der Rückwand unverändert blieb, weil wir befürchteten, beim Abkratzen etwas darunter beschädigen zu können. Komisch, nicht wahr? Ein kleines Loch, nicht mehr als einen Zentimeter im Durchmesser, gefüllt mit einem harten Material.« Sie klopfte mit dem Fingernagel dagegen.
    »Was halten die Sachverständigen für das mykenische Griechenland an der Universität Boston davon?«
    Claire stand unvermittelt auf und blickte zu den Männern, die ihr Werkzeug wegräumten. »Laßt uns feiern!« sagte sie munter. »Warst du schon mal im Ritz?«
    »Nein. Gibt es eins in Boston?«
    Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck gespielten Entsetzens. »Es gibt Einrichtungen, auf die keine Großstadt verzichten kann. Das Ritz Carlton wird noch da sein, wenn alles, was wir kennen, zu Staub geworden ist.«
     
    Ihr Alfa Romeo brummte zornig über den Charles River und stürzte sich ohne zu zögern in den trägen Strom des frühen Abendverkehrs. Sie fuhr die Boylston Street hinunter und vermied Aufenthalte durch das einfache Manöver von Fahrspurwechseln, wenn nötig zwei Spuren auf einmal. Autohupen schmetterten in ihrem Kielwasser. Sie passierten in schneller Fahrt die leere Pracht des Prudential Centers und verlangsamten erst, als sie einen berittenen Polizisten gewahrte. Vor der öffentlichen Leihbücherei hielt sie an.
    »Hattest du Schwierigkeiten mit Hampton, als…«
    »Ich hasse diesen neuen Anbau der Bibliothek. Wußtest du, daß eine alte Frau dort in einen der Seitenkorridore ging, weil sie dachte, er führe zu den Toiletten, und eingeschlossen wurde? Sie hatte nicht die Kraft, die Tür aufzustoßen, so schlecht ist der Bau entworfen. Und man kann kein Fenster öffnen.«
    »Wie lange war sie dort drinnen?«
    »Zwei Wochen, vermutet man.«
    »Du meinst…«
    »Richtig. Sie starb. An Wasserentzug, hieß es im Obduktionsbefund.«
    Der Springbrunnen auf dem Copley Square schleuderte fröhlich seinen kristallinen Tribut in die kalte Luft, unbeachtet vom trübsinnigen Gemurmel des Verkehrs. Zwei riesige vergoldete Löwen bewachten den Eingang zum Copley Plaza Hotel. Claire hielt hoffnungsvoll nach den geparkten WagenAusschau, beseelt von dem sichtbaren Willen, daß jemand dort die Scheinwerfer aufblinken lassen und damit seine bevorstehende Abfahrt ankündigen würde. Die braunen Spitztürme der Trinity Church waren regennaß und spiegelten die Schwärme von Autoscheinwerfern, und die Flanke des Hancock-Turms, einen Block weiter, gab diesem Bild ein wäßriges Echo.
    Schließlich suchte sie Zuflucht in der Tiefgarage unter dem Gemeindeplatz. Beim Aussteigen sagte John: »Du hast ein Strafmandat an der Windschutzscheibe.«
    »Oh.« Sie zog daran. Es war mit einer dünnen Schnur am Scheibenwischer befestigt. »Sieh dir das an!« sagte sie mit gemäßigter Bewunderung. »Sie haben eine kleine Schlinge daran gemacht, damit es nicht davonweht, wenn man losfährt. Gute Idee.« Als sie die Tiefgarage verließen, legte sie das Strafmandat sorgsam in einen öffentlichen Abfallbehälter und lachte über den Blick, den er ihr zuwarf.
    Es hatte angefangen zu regnen, und der Platz leerte sich. Tropfen trieben im kalten Wind, drohten zu Eis zu gefrieren und schufen mit ihren Reflexen helle Lichthöfe um die Straßenbeleuchtungen. Der Verkehr klang gedämpft, wie aus weiter Ferne. Derselbe Verkehrspolizist kam auf seinem wachsamen,

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