Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
Vom Netzwerk:
muskulösen Fuchs mit hellem Hufschlag auf sie zu. Sein gelber Regenumhang spiegelte das Lichterchaos der Stadt, aber nicht der Beamte, sondern Claire und er selbst erschienen John als eine Insel, ein fester Halt in der Erscheinungen Flucht.
    »Spätabends«, murmelte Claire, »wenn niemand unterwegs ist, kann man sich vorstellen, wie Emerson und Thoreau mit ihren Zylindern hier durchgehen und über Dichtung diskutieren.«
    Sie überquerten die Arlington Street und erstiegen die Stufen zum Ritz. Seltsamerweise kam es John nicht mondän vor. Die Gasträume und die Bar waren konservativer Neuengland-Stil, herausgeputzt mit Versatzstücken aus dem Chinahandel, so daß Lackschränkchen und chinesische Tapeten sich mit Lithographien der alten Newbury Street vermischten. Weder Filigran noch Schnörkel, weder Chrom noch Kristall. Im offenen Kamin loderten gelbe Flammen, und unweit davon fanden sie Plätze auf einem buckeligen Sofa. Während sie auf ihre Martinis warteten, machte sie ihn auf die alten Lehnsessel und den preiselbeerfarbenen Teppichboden aufmerksam und erzählte ihm, daß das Hotel einen Angestellten allein damit beschäftige, die Goldfarbe am Mobiliar zu erneuern. »Und nun, da du überzeugt bist, daß dies eine furchterregende Zitadelle der Privilegierten ist, kann ich dir verraten, daß der Gewerkschaftsführer Cesar Chavez hier abzusteigen pflegte, wenn er in die Stadt kam, proletarische Leidenschaften aufzurühren.«
    Er lächelte unbestimmt. Sie zeigte eine lebhafte, mädchenhafte Freude, wenn sie ihm Bostoner Eigentümlichkeiten zeigte, und in solchen Augenblicken fiel die ernsthafte Karrierefrau von ihr ab. Seit ihrer Rückkehr waren sie viel zusammengewesen, und er hatte hier auf ihrem Heimatboden eine Veränderung ihrer Stimmungen festgestellt. Bisher wurde er aus den Signalen, die sie ihm gab, noch nicht ganz schlau. Es gab Augenblicke, da sie sich plötzlich verschloß und ganz die zugeknöpfte Bostoner Dame wurde, und dann, kurze Zeit später, zeigte sie sich wieder offen und unbefangen. Vielleicht waren es die anhaltenden Sorgen, die sie bedrückten?
    »Glaubst du, daß Oberst Kontos hier absteigen wird? Obwohl er sich als ein Mann des Volkes begreift?«
    Sie seufzte. »Ich sehe, du beginnst dich an meine Ausflüchte zu gewöhnen.«
    »Nicht, daß sie unliebenswürdig wären.«
    Sie schlug die Beine übereinander, und eine steile Falte erschien zwischen ihren Brauen. Er bewunderte die vernünftigen Schuhe, die der erfreulichen Schwellung ihrer Wade unter dem Nylon nicht abträglich waren. Er wartete ihre Antwort ab und gab sich Spekulationen über die Frage hin, warum sie nicht diese schrecklichen Strumpfhosen trug, sondern statt dessen richtige Strümpfe mit Strumpfgürtel bevorzugte. Die Wahrscheinlichkeit dafür betrug heutzutage ein Prozent, vermutete er. Wie gewöhnlich. Seltsam, wie beharrlich manche Objekte männlicher Phantasie noch überdauerten, lange nachdem ihr praktischer Gebrauch überflüssig geworden war. Sogar in Boston…
    »Ich glaube, ich sollte es offen sagen. Ich habe Hampton nichts von dem Artefakt gesagt.«
    Trotz seiner Überraschung hob er nur ein wenig die Brauen. In Reaktion auf ihre Verhaltensweisen begann er auf den Kunstgriff des Herunterspielens zu kommen.
    »Er hat mir gestern den Kopf gewaschen, und heute früh wieder.«
    »Kein Kuß auf die Wange anläßlich der Rückkehr der Heldin?« Er signalisierte dem Kellner um weitere Martinis. Der Kellner gab zu verstehen, daß sie bereits gemixt würden. John begriff, daß Claire hier offenbar zur Stammkundschaft gehörte. Das Feuer knisterte kräftig, und er wandte sich zur Seite, um der Wärmestrahlung eine größere Fläche darzubieten. Selbst im Ritz zog es.
    »Kontos hat einen langen Brief geschickt und meine Verbrechen aufgelistet.«
    »Und Hampton nimmt es ihm ab?«
    »Selbstverständlich!« Sie schnaubte. »Warum nicht?«
    »Hampton sprach ein ernstes Wort mit dir, daß man zu den Vertretern eines Gastlandes höflich sein müsse, und so weiter. Dann bestrittest du die Vorwürfe.«
    »So ähnlich.« Die Getränke kamen, und sie tat einen kräftigen Zug.
    »Und du gedachtest den Schaden möglichst gering zu halten, indem du die Frage des fehlenden Artefakts einfach übergingst.«
    »Richtig. Die Zollformulare werden an die Abteilung an der Universität Boston adressiert sein. Aber sie werden zuerst zu mir kommen, weil ich meinen Namen über die Anschrift schrieb. Also wird Hampton nicht gleich erfahren, daß wir

Weitere Kostenlose Bücher