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Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition)

Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition)

Titel: Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilal Sezgin
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dass ihm sein Leben etwas wert ist, daher ist es völlig unangebracht zu spekulieren, ob ihm oder einem Artgenossen eventuell nichts fehlen würde, wenn man es zu anderer Gelegenheit schmerzlos und angstfrei töten würde.
    Damit landen wir wieder bei einem zentralen Gedanken des ersten Kapitels: Jedes empfindende Lebewesen verfolgt seine eigenen Interessen und ist als Zweck an sich zu respektieren. Die Formel vom «Zweck an sich» hat bekanntlich Immanuel Kant in die moderne Moralphilosophie eingeführt, und bis heute baut unser gesamtes modernes westliches moralisches Denken darauf auf. Selbstverständlich dachten Kant und viele andere Moralphilosophen dabei zunächst an Menschen; zeitgenössische Kantianer wie Christine Korsgaard haben aber gezeigt, dass man dieses Konzept auch auf Tiere erweitern kann oder sogar muss: Alle Wesen,
für die
etwas gut oder schlecht sein kann, sind als Zweck an sich zu behandeln.[ 28 ]
    Wir haben zu respektieren, dass die anderen nicht nur füruns da sind, sondern jeder von ihnen ein eigenes Subjekt, ein Ich, ein Wesen mit Empfindungen und Wünschen ist. Aus meiner Perspektive ist die Welt zunächst egozentrisch organisiert, aus deiner Sicht zentriert sie sich um dich – und wenn wir beide einen Schritt aus unserer Befangenheit heraustreten, erkennen wir: Im Grunde genommen ist hier keiner mehr wert als der andere, die Wünsche und Empfindungen aller zählen. Wenn wir eine moralische Entscheidung treffen, müssen wir sie alle berücksichtigen.
    Darum hat dieser Respekt auch Folgen. Es reicht nicht, das Zappeln des Fisches an der Angelschnur wahrzunehmen und angesichts dieses «Kampfes auf Leben und Tod» genüsslich zu schaudern, sondern wir müssen sein Zappeln ernst nehmen als Ausdruck eines Kampfes
gegen
den Tod und
für
ein Überleben. Zu akzeptieren, dass der andere seine eigenen Zwecke hat, heißt vor allen Dingen zu akzeptieren und zu respektieren, dass er ein eigenes Leben und ein Recht auf dieses Leben hat.
Konsequenzen für unser Handeln
    Doch geht das überhaupt: Können wir das Lebensrecht aller Tiere, deren Weg irgendwie den unseren kreuzt, so respektieren, dass wir ihr Leben schonen? Wenn wir Auto fahren, werden wir gelegentlich einzelne Tiere überfahren; wenn wir Häuser bauen, vertreiben und beschädigen wir auf dem Gelände ansässige Mäusekolonien; beim Holzfällen und bei jedem Gemüseanbau beschneiden wir Lebensräume, egal, wie behutsam und «nachhaltig» wir dabei vorgehen. Jedes Leben kostet Ressourcen, und das menschliche Leben kostet mit zunehmendem Wohlstand sogar besonders viele.
    Ich werde auf diese schwierigen Fragen am Schluss noch einmal zu sprechen kommen, doch eins dürfte klar sein: Dass man eine Form des Schadens nicht komplett ausschließenkann, heißt nicht, dass man nicht bemüht sein sollte, diesen Schaden oder einen anderen gering zu halten. Es ist eben ein deutlicher Unterschied, ob wir wild lebenden Tieren in unserem Leben begegnen und ihnen dabei,
ohne es vermeiden zu können,
bisweilen schaden, oder ob wir Tiere extra züchten
in der Absicht,
sie – nach einem bereits extrem eingeschränkten Leben – zu töten.
    Die Formulierung, dass wir die Tiere «extra dafür gezüchtet haben», wirft gleich eine andere Frage auf: Dürfen wir Tiere deshalb töten, weil wir sie auch «produziert» haben? «Ohne uns wären sie schließlich gar nicht erst am Leben!» Manche bringt diese Bemerkung zum Lachen, andere äußern sie mit vollem Ernst. Nun, der britische Philosoph Marc Rowlands hat hierauf die einzig vernünftige klare Antwort gegeben. «Ohne uns gäbe es die Tiere gar nicht. – Das stimmt. Na und? Unsere Kinder würden ohne uns auch nicht existieren. Das bedeutet aber nicht, dass man mit seinen Kindern machen darf, was man will, nur weil man sie hervorgebracht hat. Dass man etwas hervorgebracht hat, heißt im Allgemeinen nicht, dass man uneingeschränkte Rechte über es hat.»[ 29 ]
    Eher das Gegenteil ist richtig: Wenn ich jemandes Existenz verursacht habe, habe ich mehr und nicht weniger Verantwortung für ihn als für jemanden, der einfach nur irgendwo auf der Welt herumläuft, ohne dass ich in seine Entstehung oder Existenz involviert bin. Und auch das widerspräche übrigens der Vorstellung eines Wesens mit einem Zweck an sich: es nur in die Welt zu bringen, um es zu töten. Wir können keinen imaginären Vertrag mit einer vorgeburtlichen Seele abschließen und sagen: «Ohne mich kommst du nie auf diese Welt. Also verhelfe ich dir

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