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Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition)

Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition)

Titel: Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilal Sezgin
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dazu, und nach einigen Monaten ist dann wieder Schluss. Besser als nichts, klar?» Das wäre schlicht Erpressung – ein klassisches Beispiel für unsittliche Bedingungen, die einen Vertrag null und nichtig machen.
    Daher leuchtet uns Rowlands’ grundsätzliches Argument ja auch vollkommen ein, wenn wir es auf Menschen anwenden: Nur weil wir jemanden ins Leben gebracht haben, dürfen wir diesem Lebewesen nicht alle Bedingungen diktieren. Sobald es existiert, hat es seine eigenen Zwecke – und Rechte. Es gehört uns nicht.
    Doch tatsächlich tun wir für die Fleischproduktion genau das: Wir lassen Lebewesen entstehen, nur um sie später zu töten. So weit wir können, verkürzen wir ihr Leben sogar noch, um sie früher töten zu können. Schweine, Puten und Masthühner wurden so gezüchtet, dass sie schneller wachsen, auf Kosten ihrer Gesundheit und ihres Wohlbefindens, nur damit wir sie früher schlachten können, also weniger Futter kaufen müssen und mehr an ihnen verdienen. Indem wir Tiere auf eine extra kurze Mastzeit hin züchten, züchten wir sie buchstäblich zum (frühen) Tod. Tiere nicht nur zu züchten, um sie später zu töten, sondern auch noch so zu züchten, dass die Tötung möglichst bald erfolgen kann: Es gibt eigentlich nichts Lebensfeindlicheres, was man mit dem Vorgang der Reproduktion anstellen kann.
    Auch Vegetarier sollten übrigens über Rowlands’ Argument und überhaupt das Lebensrecht von Tieren noch einmal genauer nachdenken, denn das Leben sämtlicher Nutztiere – auch das der Legehennen, der Milchkühe, der Kälber – endet mit dem gewaltsamen und, gemessen an ihrer biologisch möglichen Lebensspanne, drastisch verfrühten Tod.[ 30 ] Im gesamten Bereich tierischer Lebensmittelproduktion wird denkbar nüchtern mit dem Tod der Tiere kalkuliert. Außer den wenigen Tieren, die freigekauft werden und auf Gnadenhöfen leben, entkommt kein Nutztier dem Menschen lebend. Sofern es keine Krankheit dahinrafft, wird es geschlachtet, solange sein Fleisch noch «verwertbar» ist: das Tier nicht als Zweck an sich, sondern als Mittel zum Profit.
    Was ist eigentlich mit jener einen hypothetischen Voraussetzung, die ich bisher ausgeblendet habe? Dass das Tötenangst- und schmerzfrei geschehen soll, schreiben alle mir bekannten Philosophen, die die Ansicht vertreten, dass man einem Tier nichts nimmt, wenn man es tötet. Diese Bedingung ist nicht zu realisieren. Die Tiere haben in den Transportern Angst, sie haben im Vorraum der Schlachtstraße Angst, sie haben in dem Moment Angst, in dem sie zur Schlachtung getrieben, einzeln zur Betäubung per Bolzenschuss oder Elektrozange hervorgezogen werden. Wenn es sich um Hühner handelt, haben sie Todesangst, wenn sie in die Fließbänder eingehängt werden, die sie ins Elektrobad fahren. Und die Schweine, die in einer «Gondel» in die Kohlendioxidkammer hinabfahren, empfinden ebenfalls Todesangst, während sie um Luft kämpfen, an die Decke der Gondel springen und laut schreien.[ 31 ]
    Die Schlachtung im modernen Fließband-Schlachthof ist nicht angstfrei, und wenn man alten Landwirten zuhört, die von früheren Schlachttagen mit schreienden Schweinen und herumflatterndem Geflügel erzählen, weiß man: Früher war sie es auch nicht. Schmerzfrei war und ist sie natürlich genauso wenig, trotz gesetzlich vorgeschriebener Betäubung. Von 60 Millionen jährlich in Deutschland geschlachteten Schweinen wachen 500.000 wieder auf, weil sie nicht richtig «abgestochen» wurden. Und zwar erwachen sie im 62 Grad heißen Brühbad und müssen darin qualvoll ertrinken; das können Veterinärmediziner, die die geschlachteten Tiere untersuchen, später an dem Wasser in ihrer Lunge feststellen.[ 32 ]
    Was tatsächlich geschieht, lässt die Rede von einer angst- und schmerzlosen Tötung beinah zynisch erscheinen. Was hilft es da zu sagen, dass das Tier nicht um seine Zukunft und den abstrakten Wert seines Lebens wisse? Zeigt der Todeskampf im Brühbad nicht hinreichend, dass dem Tier sehr wohl an dem Leben liegt, das man ihm wegnehmen will?
Euthanasie und Paternalismus
    Wer mit Tieren lebt, muss bisweilen noch aus einem anderen Anlass über Tod und Lebensrecht von Tieren nachdenken: bei der Euthanasie, dem sogenannten Einschläfern. Damit ist nun tatsächlich eine nahezu schmerzlose und behutsam vollzogene Tötung gemeint – auch wenn Tierärzte immer etwas zusammenzucken, wenn man in diesem Zusammenhang von «töten» spricht. Doch trotz der guten Absichten ist es ja eine

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