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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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wäre so mit ihr am Buckingham Palace, an der Westminster Abbey und den Houses of Parliament vorbeispaziert. Und alles noch in seinem Cricketdress. Und dabei hätte er gerufen: »Ich bin Arthur Conan Doyle, und ich bin stolz darauf, diese Frau, Jean Leckie, zu lieben.« Er führt sich die Szene bildlich vor Augen, bis er meint, wahnsinnig zu werden.
    Wut und Wahnsinn lassen allmählich nach, und zurück bleibt ein steter, starrer Zorn. Arthur geht unter die Dusche und zieht sich um, wobei er im Innern ständig auf Willie Hornung flucht. Wie kann dieser asthmatische, kurzsichtige Gelegenheits-Spinbowler es wagen, seine verdammte Augenbraue hochzuziehen. Über ihn . Über Jean . Hornung, der Journalist, der Schundromane über den australischen Busch schreibt. Den keiner kannte, bis er sich – mit Genehmigung – Holmes und Watson aneignete, die beiden völlig auf den Kopf stellte und in zwei Verbrecher verwandelte. Arthur ließ ihn gewähren. Lieferte ihm sogar noch den Namen für seinen so genannten Helden: Raffles – der Ama teur-Einbrecher . Ließ zu, dass das verdammte Buch ihm gewidmet wurde. »Für A. C. D. , auch eine Art der Schmeichelei.«
    Hatte ihm mehr als seine beste Idee geschenkt, nämlich seine Frau. Buchstäblich: Hatte sie zum Altar geführt und ihm übergeben. Hatte ihnen für den Anfang einen monatlichen Wechsel ausgestellt. Na schön, hatte Connie einen monatlichen Wechsel ausgestellt, aber Willie Hornung hatte nicht gesagt, es gehe ihm gegen die männliche Ehre, solche Hilfe anzunehmen, hatte nicht gesagt, er werde die Ärmel aufkrempeln und fleißiger arbeiten, um seine junge Frau zu ernähren, o nein, nichts dergleichen. Und nun glaubt er, das gebe ihm das Recht, sich als Tugendwächter aufzuspielen.
    Arthur lässt sich vom Lord’s direkt nach Kensington West fahren. Pitt Street Nummer neun. Als die Droschke die Harrow Road überquert, beginnt sein Zorn sich zu legen. Im Geiste hört er Jean sagen, es sei alles ihre Schuld, weil sie sich bei ihm untergehakt habe. Er weiß genau, welchen Ton des Selbstvorwurfs sie anschlagen wird, um dann wahrscheinlich wieder eine entsetzliche Migräne zu bekommen. Jetzt zählt nur eins, sagt er sich, dass sie so wenig leidet wie irgend möglich. All seine Instinkte und all seine Manneswürde verlangen, dass er Hornungs Tür eintritt, ihn auf den Bürgersteig hinauszerrt und ihm einen Cricketschläger über den Schädel haut. Doch am Ende der Fahrt weiß er, wie er sich zu verhalten hat.
    Er ist ganz ruhig, als Willie Hornung ihn einlässt. »Ich möchte zu Constance«, sagt er. Hornung hat immerhin noch so viel Verstand, dass er sich nicht aufspielt wie ein verdammter Idiot oder unbedingt dabei sein will. Arthur geht in Connies Salon hinauf. Er erklärt ihr geradeheraus, wie er es nie zuvor getan hat, zu tun brauchte. Was Touies Krankheit mit sich bringt. Seine unverhoffte, unermessliche Liebe zu Jean. Dass diese Liebe platonisch bleiben wird. Doch dass ein großer Bereich seines Lebens, der so lange leer war, nun ausgefüllt ist. Dass sie beide unter der Belastung leiden und immer wieder von Depressionen heimgesucht werden. Dass Connie sie nur deshalb zusammen und offenkundig verliebt gesehen hat, weil sie sich nicht in Acht genommen haben; und dass es eine Qual ist, seine Liebe nie vor anderen zeigen zu dürfen. Dass jedes Lächeln, jedes Lachen abgewogen und berechnet, jeder Umgang geprüft werden muss. Dass Arthur nicht weiterleben kann, wenn seine Familie, die ihm die Welt bedeutet, seine Not nicht versteht und nicht zu ihm hält.
    Morgen wird er wieder auf dem Lord’s spielen, und er bittet Connie, nein, er fleht sie an zu kommen und Jean diesmal richtig zu begrüßen. Das ist die einzige Möglichkeit. Was heute geschah, muss umgehend überwunden und bereinigt werden, sonst schwärt es wie eine Wunde. Connie wird morgen da sein und mit Jean zu Mittag essen und sie besser kennenlernen. Ja?
    Connie willigt ein. Als Willie ihn zur Tür bringt, sagt er: »Arthur, ich bin bereit, deinen Umgang mit welcher Frau auch immer ohne Wenn und Aber zu unterstützen.« In der Droschke hat Arthur das Gefühl, mit knapper Not etwas Furchtbares abgewendet zu haben. Er ist völlig erschöpft und ein bisschen wie berauscht. Natürlich kann er sich auf Connie verlassen, wie er sich überhaupt auf seine Familie verlassen kann. Und er schämt sich etwas für seine Gedanken über Willie Hornung. Dieses verfluchte aufbrausende Temperament wird einfach nicht besser. Er schiebt

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