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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Sohn seinerseits entdeckt, dass die Komplikationen des Lebens nicht am Altar enden; manch einer würde sagen, dass sie hier erst beginnen.
    Die Mama hört zu; sie versteht; und sie verzeiht. Arthur hat sich korrekt und ehrenwert verhalten. Und sie würde Miss Leckie gern kennenlernen.
    Sie treffen sich; und die Mama gibt ihr Einverständnis, wie sie damals in Southsea ihr Einverständnis zu Touie gab. Das ist keine gedankenlose Rückendeckung für einen verzärtelten Sohn. In den Augen der Mama war die fügsame und liebenswürdige Touie genau die richtige Ehefrau für einen ehrgeizigen, aber verwirrten jungen Arzt, der in der Gesellschaftsschicht Anerkennung finden musste, die ihn mit Patienten versorgen würde. Doch wenn Arthur jetzt heiraten sollte, würde er einen Menschen wie Jean brauchen, einen Menschen mit eigenen Fähigkeiten und mit einem klaren, freimütigen Wesen, das die Mama mitunter ein wenig an sich selbst erinnert. Insgeheim fällt ihr auf, dass dies die erste enge Freundin ist, der ihr Sohn keinen Kosenamen gegeben hat.
    Auf dem Tisch in der Eingangshalle von Undershaw steht ein Gower-Bell-Telephon mit eingebautem Lautsprecher. Es hat eine eigene Nummer – Hindhead 237 –, und dank Arthurs Namen und Reputation teilt es sich nicht wie viele andere einen Gemeinschaftsanschluss mit einem Nachbarhaus. Dennoch benutzt Arthur es nie, um Jean anzurufen. Er kann sich nicht vorstellen, dass er einen Moment abpasst, in dem keine Dienstboten in Undershaw sind, die Kinder in der Schule, Touie ruht und Wood draußen spazieren geht, und dass er dann in der Halle steht und mit gedämpfter Stimmer und dem Rücken zur Treppe spricht: unter den in buntes Glas gefassten Namen und Wappen seiner Ahnen. Er kann sich dieses Bild nicht ausmalen; es wäre der Beweis für eine heimliche Liebschaft, nicht so sehr in den Augen anderer, die ihn in dieser Lage sehen könnten, als in den eigenen. Das Telephon ist das Instrument der Ehebrecher.
    Daher teilt er sich ihr in Briefen, auf Kärtchen, in Telegrammen mit; er teilt sich ihr durch Worte und Geschenke mit. Nach einigen Monaten sieht Jean sich zu dem Hinweis veranlasst, der Platz in ihrer Wohnung sei begrenzt, und ihre Mitbewohnerinnen seien zwar treue Freundinnen, doch werde ihr das Läuten des Lieferburschen allmählich peinlich. Wenn eine Frau ständig Geschenke von Herren – oder, noch kompromittierender, von einem bestimmten Herrn – bekomme, gehe man davon aus, dass sie einen Liebhaber habe oder zumindest einen potenziellen Liebhaber. Als Arthur das hört, schilt er sich einen Narren.
    »Im Übrigen«, sagt Jean, »brauche ich keine Bestätigungen. Ich bin mir deiner Liebe gewiss.«
    Zum ersten Jahrestag ihrer Begegnung schenkt er ihr ein einzelnes Schneeglöckchen. Sie sagt, das bereite ihr mehr Freude als Schmuck oder Kleider oder Topfpflanzen oder teure Pralinen oder was Männer Frauen sonst noch schenken. Sie habe wenig materielle Bedürfnisse, und diese decke ihr monatlicher Wechsel mühelos ab. Ja, wenn sie keine Geschenke bekomme, sei das ein Zeichen dafür, dass ihre Beziehung etwas anderes sei als die faden Arrangements anderer Leute auf dieser Welt.
    Es bleibt aber die Frage des Rings. Arthur möchte, dass sie, wie diskret auch immer, etwas am Finger trägt – an welchem, ist ihm egal –, das ihm eine heimliche Botschaft schickt, wann immer sie zusammen sind. Jean findet keinen Gefallen an dieser Idee. Es gebe drei Kategorien von Frauen, denen Männer Ringe schenken: Ehefrau, Geliebte, Verlobte. Sie falle in keiner dieser Kategorien und wolle keinen solchen Ring tragen. Sie werde nie eine Geliebte sein; eine Ehefrau habe Arthur bereits; und sie sei auch nicht seine Verlobte, könne es nicht sein. Seine Verlobte zu sein hieße: Ich warte darauf, dass seine Frau stirbt. Es gebe solche Abmachungen zwischen Paaren, das wisse sie, aber zwischen ihnen solle das nicht so sein. Ihre Liebe sei anders. Sie habe keine Vergangenheit und keine Zukunft, die man sich ausmalen könne; sie habe nur die Gegenwart. Arthur sagt, in seiner Vorstellung sei sie seine mystische Ehefrau. Jean ist sich darin mit ihm einig, meint aber, mystische Ehefrauen trügen keine materiellen Ringe.
    Die Lösung kommt natürlich von der Mama. Sie lädt Jean nach Ingleton ein und schlägt vor, Arthur selbst solle am nächsten Tag nachkommen. Am Abend von Jeans Ankunft hat die Mama einen plötzlichen Einfall. Sie nimmt einen schmalen Ring vom kleinen Finger ihrer linken Hand und steckt ihn Jean

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