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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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anderen Jungen nach Hause ging. Ich war ein glückliches Kind, glaube ich.«
    »Ja.« Das ist wohl noch nicht die ganze Antwort. »Aber vermutlich hat die Herkunft Ihres Vaters …«
    »Sir Arthur, eins möchte ich ganz klarstellen. Ich glaube nicht, dass Rassenvorurteile irgendetwas mit meinem Fall zu tun haben.«
    »Ich muss gestehen, Sie überraschen mich.«
    »Mein Vater glaubt, all das Leid wäre mir erspart geblieben, wenn ich zum Beispiel der Sohn von Captain Anson gewesen wäre. Das ist sicherlich wahr. Doch meiner Meinung nach ist das eine falsche Fährte. Fahren Sie nach Wyrley und fragen Sie die Leute im Dorf, wenn Sie mir nicht glauben. Auf jeden Fall sind solche Vorurteile, falls es sie geben sollte, auf einen sehr kleinen Kreis im Dorf beschränkt. Hin und wieder kam es zu Kränkungen, aber welcher Mann muss das nicht in der einen oder anderen Form ertragen?«
    »Ich verstehe Ihren Wunsch, nicht den Märtyrer zu spielen …«
    »Nein, das ist es nicht, Sir Arthur.« George verstummt und wirkt für einen Moment verlegen. »Ist das eigentlich die richtige Anrede?«
    »Sie dürfen mich so nennen. Oder Doyle, wenn Ihnen das lieber ist.«
    »Ich glaube, ich bleibe lieber bei Sir Arthur. Wie Sie sich denken können, habe ich viel über diese Frage nachgedacht. Ich wurde als Engländer erzogen. Ich bin zur Schule gegangen, habe Jura studiert, habe meine Ausbildung abgeschlossen, bin Solicitor geworden. Hat irgendjemand versucht, mich an meinem Fortkommen zu hindern? Im Gegenteil. Meine Schullehrer haben mich ermutigt, bei Sangster, Vickery & Speight war ich ein geachteter Mitarbeiter, die Gemeinde meines Vaters beglückwünschte mich zu meinem bestandenen Examen. Kein Mandant hat in der Newhall Street je meinen Rat aufgrund meiner Herkunft zurückgewiesen.«
    »Nein, aber …«
    »Lassen Sie mich fortfahren. Es gab, wie gesagt, hin und wieder Kränkungen. Es gab Hänseleien und Witze. So naiv bin ich nicht, um nicht zu merken, dass manche Leute mich anders ansehen. Doch ich bin Jurist, Sir Arthur. Welche Beweise habe ich dafür, dass mir jemand aufgrund von Rassenvorurteilen etwas zuleide getan hat? Sergeant Upton wollte mir immer Angst machen, aber er hat bestimmt auch anderen Jungen Angst gemacht. Captain Anson war eindeutig gegen mich eingenommen, ohne mich je gesehen zu haben. Die Polizei hat mir eher durch ihre mangelnde Kompetenz geschadet. Zum Beispiel hat sie selbst, obwohl es im ganzen Bezirk von Hilfspolizisten nur so wimmelte, nie ein einziges verstümmeltes Tier entdeckt. Diese Vorkommnisse wurden ihnen immer von Bauern gemeldet oder von Männern, die zur Arbeit gingen. Ich war nicht der Einzige, der daraus den Schluss zog, die Polizei habe Angst vor der so genannten Bande, auch wenn sie deren Existenz überhaupt nicht beweisen konnte.
    Wenn Sie also meinen, mein Leid sei von Rassenvorurteilen verursacht worden, dann muss ich Sie um Beweise bitten. Ich erinnere mich nicht, dass Mr Disturnal dieses Thema je angesprochen hätte. Und Sir Reginald Hardy auch nicht. Haben die Geschworenen mich wegen meiner Hautfarbe für schuldig befunden? Das wäre zu einfach. Und ich möchte hinzufügen, dass ich während meiner Zeit im Gefängnis vom Personal wie von den anderen Insassen fair behandelt wurde.«
    »Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte«, antwortet Sir Arthur. »Vielleicht sollten Sie ab und zu versuchen, nicht wie ein Jurist zu denken. Wenn für eine Erscheinung kein Beweis erbracht werden kann, bedeutet das nicht, dass sie nicht existiert.«
    »Das gebe ich zu.«
    »Als die Verfolgung Ihrer Familie begann, glaubten Sie da – oder glauben Sie jetzt –, dass sie sich durch Zufall gegen Sie richtete?«
    »Wahrscheinlich nicht. Aber sie richtete sich auch gegen andere.«
    »Nur die Briefkampagne. Niemand hat so gelitten wie Sie.«
    »Das ist wahr. Aber es wäre ganz falsch, daraus Rückschlüsse auf die Absichten und Motive der Täter zu ziehen. Vielleicht hat mein Vater – der persönlich sehr streng sein kann – einen Bauernjungen zur Rede gestellt, weil der Äpfel gestohlen oder lästerliche Reden geführt hat.«
    »Meinen Sie, dergleichen habe die Kampagne ausgelöst?«
    »Ich habe keine Ahnung. Aber ich werde wohl leider nicht aufhören, wie ein Jurist zu denken. Denn das bin ich. Und als Jurist brauche ich Beweise.«
    »Vielleicht können andere mehr sehen als Sie.«
    »Ganz sicher. Aber es ist auch eine Frage der Zweckmäßigkeit. Für mich ist es nicht zweckmäßig, wenn ich als

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