Arthur & George
Ein großer Teil des Unheils geht auf ihn zurück.«
»Ich meine, liebster Arthur, du darfst dich von Captain Anson nicht von deinem eigentlichen Ziel ablenken lassen. Sonst wäre Captain Anson nämlich der Erste, der höchst zufrieden ist.«
Arthur sieht sie mit Stolz und Freude an. Ein nützlicher Hinweis, und ein verdammt kluger noch dazu.
»Du hast völlig recht. Ich werde Anson nicht mehr zusetzen, als es Georges Interessen dient. Aber er soll auch nicht ungeschoren davonkommen. Und mit dem zweiten Teil meiner Ermittlungen beschäme ich ihn und seine gesamte Polizeitruppe. Es zeichnet sich allmählich ab, wer der Täter war, und wenn ich zeigen kann, dass der von Anfang an direkt vor Ansons Nase saß und er nichts unternommen hat, was bleibt ihm dann anderes übrig, als sein Amt niederzulegen? Wenn ich diese Sache zu Ende gebracht habe, ist die Staffordshire Constabulary durch mein Zutun von oben bis unten neu organisiert. Volle Kraft voraus!«
Er sieht Jeans Lächeln, das ihm voller Bewunderung wie auch Nachsicht zu sein scheint, eine höchst wirksame Kombination.
»Und da wir gerade dabei sind, mein Liebling, ich finde wirklich, wir sollten ein Datum für die Hochzeit festsetzen. Sonst halten die Leute dich noch für eine Frau, die hemmungslos flirtet!«
»Mich, Arthur? Mich?«
Er lacht und greift nach ihrer Hand. Volle Kraft voraus, denkt er, sonst explodiert noch der ganze Kesselraum.
Daheim in Undershaw griff Arthur zur Feder und rechnete mit Anson ab. Dieser Brief an den Pfarrer: »Ich bin zuversichtlich, dass ich dem Täter eine gehörige Zuchthausstrafe verschaffen kann« – hatte es jemals eine derart krasse Vorverurteilung durch eine hochgestellte Amtsperson gegeben? Arthur spürte, wie der Zorn in ihm aufwallte, während er diese Worte erneut abschrieb; aber er spürte auch das Besänftigende von Jeans Ratschlag. Er musste das tun, was George am meisten nützte; er musste Verleumdungen vermeiden; zugleich musste er ein vernichtendes Urteil über Anson fällen. So verächtlich hatte man ihn lange nicht mehr behandelt. Nun, Anson würde schon merken, was das für ein Gefühl war.
Zwar [so begann er] hege ich keinerlei Zweifel daran, dass Captain Ansons Abneigung gegen George Edalji vollkommen aufrichtig und er sich seines Vorurteils nicht bewusst war. Es wäre töricht, etwas anderes an zunehmen. Doch ein Mann in seiner Position hat kein Recht auf solche Gefühle. Dazu ist er zu mächtig, sind andere zu schwach, sind die Folgen zu entsetz lich. Der Verlauf der Ereignisse hat mir gezeigt, dass diese Abneigung des Chief Constable immer weitere Kreise zog, bis die gesamte Polizeitruppe davon durch drungen war, und als die Polizei dann George Edalji hatte, ließ sie ihm nicht die elementarste Gerechtigkeit widerfahren.
Vor dem Verfahren, während des Verfahrens, aber auch danach: Ansons Arroganz war ebenso grenzenlos wie seine Vorurteile.
Welche Berichte Captain Ansons späterhin verhinder ten, dass im Innenministerium Gerechtigkeit geübt wurde, weiß ich nicht, aber eins weiß ich – statt einen Mann, der am Boden liegt, in Ruhe zu lassen, wurde nach seiner Verurteilung jede erdenkliche Anstren gung unternommen, um ihn wie auch seinen Vater zu verunglimpfen, was allen zur Abschreckung dienen sollte, die diesem Fall womöglich nachgehen wollten. Als Mr Yelverton sich der Sache annahm, erhielt er umgehend einen von Captain Anson unterzeichneten und vom 8 . November 1903 datierten Brief, in dem es hieß: »Es ist nur recht und billig, Ihnen mitzuteilen, dass jeder Versuch zu beweisen, George Edalji könne sich aufgrund seiner Position und seines angeblich gu ten Charakters nicht des Verfassens beleidigender und abscheulicher Briefe schuldig gemacht haben, reine Zeitverschwendung wäre. Sein Vater ist sich seiner Neigung hinsichtlich des Schreibens anonymer Brie fe ebenso bewusst wie ich, und verschiedene andere Personen haben diesbezüglich eigene Erfahrungen gemacht.«
Nun erklären sowohl Edalji als auch sein Vater un ter Eid, dass Ersterer in seinem Leben niemals einen anonymen Brief geschrieben hat, und als Mr Yelverton um die Namen der »verschiedenen anderen Personen« nachsuchte, erhielt er keine Antwort. Man bedenke, dass dieser Brief unmittelbar nach der Verurteilung ge schrieben wurde und dem Zweck diente, jedes Be streben, Gnade walten zu lassen, im Keim zu ersticken. Das lässt sich sicher damit vergleichen, dass man weiter auf einen bereits am Boden liegenden Mann eintritt.
Wenn
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