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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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verzeihen, dass es da ein Problem mit Ihrer Geschichte gibt.«
    »Ach ja?«
    »Sie waren auf der Schule von Walsall?«
    »Ja.«
    »Und Brookes auch?«
    »Ja.«
    »Und Speck auch?«
    »Ja.«
    »Wie erklären Sie sich dann, dass Mr Mitchell, der jetzige Rektor, mir versichert, es habe in den letzten zwanzig Jahren keinen Jungen dieses Namens auf der Schule gegeben?«
    »Ah, ich verstehe«, sagte Wynn. »Wir haben ihn nur Speck genannt. Er war ein kleiner Wicht, kein bisschen Speck auf den Rippen. Vielleicht kam der Spitzname daher. Nein, sein richtiger Name war Sharp.«
    »Sharp?«
    »Royden Sharp.«
    Arthur nahm Mr Wynns Glas und reichte es seinem Sekretär. »Vielleicht noch was dazu, Mr Wynn? Einen Schluck Whisky oder so?«
    »Also, das wäre sehr nobel von Ihnen, Sir Arthur. Sehr nobel. Und vielleicht dürfte ich Sie auch um einen Gefallen bitten.« Er griff in einen kleinen Knappsack, und als Arthur das Rising Sun verließ, hatte er ein halbes Dutzend literarischer Skizzen über das Landleben – »Ich dachte, ich nenne sie ›Vignetten‹« – unter dem Arm und versprochen, sich ein Urteil über ihren künstlerischen Wert zu bilden.
    »Royden Sharp. Das ist ja ein ganz neuer Name. Wie können wir den finden? Haben Sie eine Idee, Harry?«
    »O ja«, sagte Harry. »Ich wollte in Wynns Gegenwart nicht davon anfangen, sonst hätte er noch das ganze Lokal leer getrunken. Ich kann Ihnen da einen Tipp geben. Er war das Mündel von Mr Greatorex.«
    »Greatorex!«
    »Es gab zwei Sharp-Brüder, Wallie und Royden. Einer von beiden ist mit George und mir zur Schule gegangen, ich weiß allerdings nach so langer Zeit nicht mehr, welcher. Aber Mr Greatorex kann Ihnen Näheres erzählen.«
    Sie fuhren zwei Stationen zurück nach Wyrley & Churchbridge und gingen dann zu Fuß zur Littleworth Farm. Mr und Mrs Greatorex waren ein nettes, umgängliches Ehepaar in den späten mittleren Jahren, gastfreundlich und direkt. Arthur hatte den Eindruck, dass sich hier endlich einmal nicht alles um Bier und Stiefelkratzer drehen würde und man nicht hin und her rechnen musste, ob zwei Shilling und Threepence oder zwei Shilling und Fourpence ein angemessener Preis für die Auskünfte war.
    »Wallie und Royden Sharp waren die Söhne meines Pächters Peter Sharp«, begann Mr Greatorex. »Es waren ziemlich wilde Jungen. Nein, das ist vielleicht ungerecht. Royden war ein wilder Junge. Ich weiß noch, dass sein Vater einmal einen Heuschober bezahlen musste, den Royden in Brand gesteckt hatte. Wallie war eher seltsam als wild.
    Royden wurde von der Schule verwiesen – von der in Walsall. Sie waren beide auf einer Schule. Royden muss wohl faul und zerstörungswütig gewesen sein, auch wenn ich die Geschichte nie ganz erfahren habe. Peter hat ihn dann auf die Schule in Wisbech geschickt, aber das ließ sich auch nicht besser an. Deshalb hat er ihn bei einem Schlachter in die Lehre gegeben, Meldon hieß der, glaube ich, in Cannock. Ab Ende 93 habe ich mich selbst um ihn gekümmert. Der Vater lag im Sterben und hat mich gebeten, Royden in meine Obhut zu nehmen. Das war das Mindeste, was ich tun konnte, und selbstverständlich habe ich Peter alles versprochen, was in meinen Kräften stand. Ich habe mein Bestes getan, aber Royden war einfach nicht zu bändigen. Nichts als Scherereien. Diebstahl, Sachbeschädigung, fortwährendes Lügen … er hielt es auf keiner Arbeitsstelle aus. Am Ende habe ich gesagt, er kann zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Entweder ich streiche ihm seinen monatlichen Wechsel und zeige ihn bei der Polizei an, oder er fährt zur See.«
    »Wir wissen, wie er sich entschieden hat.«
    »Also habe ich ihm eine Passage als Schiffsjunge auf der General Roberts besorgt, die der Reederei Lewis Davies & Co gehörte.«
    »Wann war das?«
    »Ende 1895 . Am Ende der Jahres. Ich glaube, das Schiff lief am 30 . Dezember aus.«
    »Und von welchem Hafen, Mr Greatorex?« Obwohl Arthur die Antwort schon kannte, beugte er sich erwartungsvoll vor.
    »Liverpool.«
    »Und wie lange ist er auf der General Roberts geblieben?«
    »Nun, da hat er es ausnahmsweise einmal länger ausgehalten. Vier Jahre später hatte er seine Ausbildung abgeschlossen und sein Patent als dritter Maat gemacht. Dann ist er nach Hause gekommen.«
    »Das wäre dann 1903 ?«
    »Nein, nein. Früher. 1901 , ganz bestimmt. Er ist aber nicht lange geblieben und hat dann auf einem Viehtransporter zwischen Liverpool und Amerika angeheuert. Da hat er zehn Monate gedient. Und danach

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