Arthur & George
Great Wyrley.«
»Nein, wo kommst du wirklich her?«
George überlegt. »Aus dem Pfarrhaus«, antwortet er, und die zwei Schufte lachen.
»Hast du ein Mädchen, George?«
»Wie bitte?«
»Enthält diese Frage einen juristischen Begriff, den du nicht verstehst?«
»Meiner Meinung nach sollte sich jeder um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
»Sei nicht so hochnäsig, George.«
Auf diesem Thema reiten Greenway und Stetson hartnäckig und übermütig herum.
»Ist sie ein flotter Feger, George?«
»Sieht sie aus wie Marie Lloyd?«
Wenn George keine Antwort gibt, stecken sie die Köpfe zusammen, schieben den Hut in den Nacken und bringen ihm ein Ständchen. »The-boy-I-love-sits-up-in-the-ga-ll-ery.«
»Na komm, George, sag uns, wie sie heißt.«
»Na komm, George, sag uns, wie sie heißt.«
Nachdem das mehrere Wochen so gegangen ist, hält George es nicht länger aus. Wenn sie das wollen, können sie es haben. »Sie heißt Dora Charlesworth«, sagt er plötzlich.
»Dora Charlesworth«, wiederholen sie. »Dora Charlesworth. Dora Charlesworth?« Aus ihrem Mund hört es sich immer unwahrscheinlicher an.
»Sie ist die Schwester von Harry Charlesworth. Er ist mein Freund.«
Er glaubt, das würde sie zum Schweigen bringen, doch offenbar stachelt es sie nur noch mehr an.
»Welche Haarfarbe hat sie denn?«
»Hast du sie schon geküsst, George?«
»Wo kommt sie her?«
»Nein, wo kommt sie wirklich her?«
»Schickst du ihr einen Gruß zum Valentinstag?«
Anscheinend werden sie dieses Themas nie müde.
»Sag mal, George, wir haben da eine Frage wegen Dora. Ist sie eine Negerin?«
»Sie ist genauso englisch wie ich.«
»Genauso wie du, George? Genauso wie du?«
»Ich wette, sie ist ein Betschuanamädchen.«
»Sollen wir einen Privatdetektiv losschicken, um das herauszufinden? Vielleicht den Burschen, den die Scheidungsanwälte manchmal anheuern? Der in Hotelzimmer geht und den Ehemann mit dem Zimmermädchen ertappt? So würdest du dich nicht gern ertappen lassen, George, nicht wahr?«
George meint, was er da getan oder zugelassen hat, zählt eigentlich nicht als Lüge; er lässt sie nur glauben, was sie glauben wollen, und das ist etwas anderes. Zum Glück wohnen sie am anderen Ende von Birmingham, und so kann George diese Geschichte hinter sich lassen, sobald der Zug aus dem Bahnhof New Street herausfährt.
Am Morgen des 13 . Februar sind Greenway und Stentson in ausgelassener Stimmung, und George erfährt nie, warum. Sie haben gerade eine Valentinskarte aufgegeben, die an Miss Dora Charlesworth, Great Wyrley, Staffordshire adressiert ist. Das löst bei dem Briefträger beträchtliche Verwirrung aus und noch größere bei Harry Charlesworth, der sich immer eine Schwester gewünscht hat.
George sitzt im Zug und hat seine Zeitung auf den Knien ausgebreitet. Seine Aktentasche liegt auf dem höheren und breiteren der beiden Netze über seinem Kopf, sein Bowlerhut auf dem unteren, schmaleren Netz, das für Hüte, Schirme, Stöcke und kleine Päckchen reserviert ist. Er denkt über die Lebensreise nach, die jeder Mensch machen muss. Die seines Vaters zum Beispiel begann im fernen Bombay, am anderen Ende einer der lebendigen Blutlinien des Empire. Dort wuchs er auf und wurde zum Christentum bekehrt. Dort schrieb er eine Grammatik der Gudscharati-Sprache und verdiente sich so das Geld für die Überfahrt nach England. Er studierte am St Augustine’s College in Canterbury, wurde von Bischof Macarness ordiniert und diente dann als Hilfspfarrer in Liverpool, bevor er seine Gemeinde in Wyrley bekam. Das ist auf jeden Fall eine große Reise, und George meint, seine eigene werde gewiss nicht so ausgedehnt sein. Vielleicht wird sie eher der seiner Mutter gleichen: von Schottland, wo sie geboren wurde, nach Shropshire, wo ihr Vater neununddreißig Jahre lang Pfarrer von Ketley war, und dann in das nahe Staffordshire, wo ihr Mann, so Gott will, wohl ebenso lange wirken wird. Ob Birmingham Georges Endstation sein wird oder ob es nur eine Etappe auf seinem Weg ist? Noch kann er das nicht absehen.
George betrachtet sich nun weniger als Dörfler mit einer Dauerfahrkarte, sondern mehr als angehenden Bürger von Birmingham. Zum Zeichen dieses neuen Status beschließt er, sich einen Schnurrbart wachsen zu lassen. Das dauert viel länger als gedacht und erlaubt Greenway und Stentson, wiederholt zu fragen, ob sie nicht zusammenlegen und ihm eine Flasche Haarwuchsmittel kaufen sollen. Als sich der Flaum endlich über
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