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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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beim letzten Mal. Fahren Sie vorher weg.
    George bleibt ganz ruhig. »Verleumdung«, sagt er. »Ja, prima facie erfüllt das in meinen Augen den Tatbestand der Verleumdung.«
    »Es fängt wieder an«, sagt seine Mutter, und er merkt, dass sie den Tränen nahe ist. »Es fängt alles wieder an. Sie werden keine Ruhe geben, bis sie uns vertrieben haben.«
    »Charlotte«, sagt Shapurji bestimmt. »Davon kann keine Rede sein. Wir ziehen nicht aus dem Pfarrhaus fort, bis man uns neben Onkel Compson zur Ruhe bettet. Wenn es der Wille des Herrn ist, dass wir auf unserer Reise dorthin leiden sollen, dann steht es uns nicht an, die Wege des Herrn in Zweifel zu ziehen.«
    Inzwischen gibt es Momente, in denen George nahe daran ist, die Wege des Herrn in Zweifel zu ziehen. Zum Beispiel: Seine Mutter ist doch die Tugend in Person und steht den Armen und Kranken der Gemeinde bei – warum also soll sie so leiden? Und wenn der Herr, wie sein Vater meint, über alles gebietet, dann gebietet der Herr auch über die Staffordshire Constabulary und ihre berüchtigte Unfähigkeit. Doch das darf George nicht sagen; es gibt immer mehr Dinge, die er nicht einmal andeuten darf.
    Er beginnt auch zu begreifen, dass er die Welt ein wenig besser versteht als seine Eltern. Zwar ist er erst siebenundzwanzig, doch das Berufsleben eines Birminghamer Solicitors gewährt Einblicke in das Wesen des Menschen, die einem Landpfarrer verschlossen bleiben. Als daher sein Vater sich noch einmal beim Chief Constable beschweren will, erhebt George Widerspruch. Anson war beim ersten Mal gegen sie; man muss sich an den Inspektor wenden, der die Ermittlungen leitet.
    »Ich werde ihm schreiben«, sagt Shapurji.
    »Nein, Vater, ich glaube, das ist meine Aufgabe. Und ich werde ihn allein aufsuchen. Wenn wir beide gehen, sieht das für ihn vielleicht wie eine Delegation aus.«
    Der Pfarrer ist überrascht, aber auch erfreut. Es gefällt ihm, dass sein Sohn sich so mannhaft behauptet, und er lässt ihn gewähren.
    George schreibt und bittet um ein Gespräch – möglichst nicht im Pfarrhaus, sondern auf einer Polizeiwache nach Wahl des Inspektors. Das kommt Campbell etwas sonderbar vor. Er schlägt Hednesford vor und bittet Sergeant Parsons dazu.
    »Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich nehmen. Ich weiß das sehr zu schätzen. Ich möchte drei Punkte mit Ihnen besprechen. Doch zunächst würde ich Ihnen gern dies hier überreichen.«
    Campbell ist ein Mann von rund vierzig Jahren mit rötlichbraunem Haar, einem Kopf wie ein Dromedar und einem langen Oberkörper, sodass er im Sitzen beinahe größer wirkt als im Stehen. Er greift über den Tisch und betrachtet sein Präsent: eine Ausgabe von Railway Law for the ›Man in the Train‹ . Er blättert langsam darin herum.
    »Das zweihundertachtunddreißigste Exemplar«, sagt George. Das klingt eitler, als es gemeint war.
    »Sehr freundlich von Ihnen, Sir, doch leider verbieten die Vorschriften der Polizei die Annahme von Geschenken aus der Bevölkerung.« Campbell schiebt das Büchlein über den Schreibtisch zurück.
    »Ach, das ist wohl kaum Bestechung, Inspector«, sagt George leichthin. »Können Sie es nicht als … eine Spende für die Bibliothek betrachten?«
    »Für die Bibliothek. Haben wir eine Bibliothek, Sergeant?«
    »Nun, wir könnten jederzeit eine gründen, Sir.«
    »In dem Fall, Mr Edalji, seien Sie bedankt.«
    George weiß nicht recht, ob sie sich über ihn lustig machen.
    »Mein Name wird Aidlji ausgesprochen. Nicht Ee-dal-ji.«
    »Aidlji.« Der Inspektor macht einen schwachen Versuch und verzieht dann das Gesicht. »Wenn Sie nichts dagegen haben, bleibe ich einfach bei Sir.«
    George räuspert sich. »Der erste Punkt ist Folgender.« Er holt den Brief von dem »Freund der Gerechtigkeit« hervor. »Es gab noch fünf weitere, die an meine Geschäftsadresse kamen.«
    Campbell liest den Brief, reicht ihn dem Sergeant, nimmt ihn zurück, liest ihn noch einmal. Er überlegt, ob das eine Denunziation ist oder ein Unterstützerbrief. Oder das eine in der Verkleidung des anderen. Wenn es eine Denunziation ist, warum läuft man damit zur Polizei? Wenn es ein Unterstützerbrief ist, warum bringt man ihn dann her, obwohl man noch gar nicht beschuldigt wurde? Campbell findet Georges Beweggründe fast so interessant wie den Brief selbst.
    »Haben Sie eine Ahnung, von wem er stammt?«
    »Er trägt keine Unterschrift.«
    »Das sehe ich auch, Sir. Darf ich fragen, ob Sie beabsichtigen, diesen Rat zu befolgen? Wollen

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