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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Sie Urlaub nehmen und verreisen?«
    »Also wirklich, Inspector, Sie zäumen das Pferd beim Schwanz auf. Meinen Sie nicht, dass das strafbare Verleumdung ist?«
    »Ehrlich gesagt, Sir, ich weiß es nicht. Anwälte wie Sie befinden doch darüber, was Recht und was Unrecht ist. Vom polizeilichen Standpunkt aus würde ich sagen, da hat sich jemand einen Spaß mit Ihnen erlaubt.«
    »Einen Spaß? Wenn dieser Brief mit der Behauptung, die der Verfasser vorgeblich in Abrede stellt, an die Öffentlichkeit käme – meinen Sie nicht, dass mir dann von den hiesigen Landarbeitern und Bergleuten Gefahr drohen würde?«
    »Ich weiß es nicht, Sir. Ich kann nur sagen, ich erinnere mich nicht, dass seit meinem Dienstantritt hier ein anonymer Brief je Anlass zu einem tätlichen Angriff gegeben hätte. Sie, Parsons?« Der Sergeant schüttelt den Kopf. »Und wie verstehen Sie diesen Satz, etwa in der Mitte … weil sie denken, Sie sind kein rechter Kerl ?«
    »Wie verstehen Sie ihn denn selbst?«
    »Nun ja, Sie müssen wissen, so etwas hat man zu mir nie gesagt.«
    »Also schön, Inspector, ich ›verstehe‹ das so: Es handelt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Anspielung darauf, dass mein Vater der Abstammung nach Parse ist.«
    »Ja, darauf könnte es sich vermutlich beziehen.« Campbell beugt seinen rötlichbraunen Kopf wieder über den Brief, als wollte er weitere Interpretationsmöglichkeiten darin entdecken. Er versucht, aus diesem Mann und seinem Anliegen schlau zu werden – vielleicht ist das eine ganz normale Beschwerde, vielleicht auch etwas Komplizierteres.
    »Könnte? Könnte? Was sollte es sonst bedeuten?«
    »Nun, es könnte auch bedeuten, dass Sie ein Außenseiter sind.«
    »Sie meinen, ich spiele nicht in der Cricketmannschaft von Great Wyrley?«
    »Tun Sie das nicht, Sir?«
    George spürt, wie Wut in ihm aufsteigt. »Und wo wir schon dabei sind, ich suche auch keine Wirtshäuser auf.«
    »Tun Sie das nicht, Sir?«
    »Und ich rauche keinen Tabak.«
    »Tun Sie das nicht, Sir? Nun, wir werden warten und den Verfasser des Briefes fragen müssen, wie er das meint. Wenn und falls wir ihn fassen. Sie sagten, Sie hätten noch etwas auf dem Herzen?«
    Der zweite Punkt auf Georges Liste ist eine Beschwerde über Sergeant Upton, sowohl seines Verhaltens als auch seiner Unterstellungen wegen. Allerdings sind das, als der Inspektor sie wiederholt, irgendwie keine Unterstellungen mehr. Campbell verwandelt sie in unbeholfene Bemerkungen eines nicht sonderlich gescheiten Mitglieds der Constabulary gegenüber einem ziemlich aufgeblasenen und überempfindlichen Beschwerdeführer.
    George ist inzwischen ganz verstört. Er hatte Dankbarkeit für das Büchlein, Entsetzen über den Brief und Interesse an seinen Unannehmlichkeiten erwartet. Der Inspektor hat sich als korrekt, aber begriffsstutzig erwiesen; seine aufgesetzte Höflichkeit wirkt auf George irgendwie unverschämt. Nun, er muss dennoch weiter zu seinem dritten Punkt.
    »Ich habe einen Vorschlag. Für Ihre Ermittlungen.« George legt, wie geplant, eine Pause ein, um der vollen Aufmerksamkeit sicher zu sein. »Bluthunde.«
    »Wie bitte?«
    »Bluthunde. Die haben, wie Ihnen sicher bekannt ist, einen exzellenten Geruchssinn. Wenn Sie sich ein Paar ausgebildete Bluthunde beschafften, würden diese Sie vom Schauplatz der nächsten Verstümmelung bestimmt direkt zu dem Täter führen. Diese Hunde verfolgen eine Fährte mit geradezu gespenstischer Präzision, und es gibt hier keine Bäche oder Flüsse, in die der Verbrecher waten könnte, um sie abzulenken.«
    In der Staffordshire Constabulary ist man anscheinend nicht an praktische Vorschläge aus der Bevölkerung gewöhnt.
    »Bluthunde«, wiederholt Campbell. »Und gleich ein Paar. Das klingt ja wie aus einem Groschenroman. ›Mr Holmes, es waren die Fußspuren eines gigantischen Hundes!‹« Dann fängt Parsons an zu kichern, und Campbell befiehlt ihm nicht zu schweigen.
    Das Ganze war ein entsetzlicher Fehlschlag, vor allem der letzte Punkt, den George sich selbst ausgedacht und nicht einmal mit seinem Vater besprochen hat. Er ist bedrückt. Als er geht, stehen die beiden Polizisten auf der Treppe und schauen ihm nach. Er hört den Sergeant mit weit tragender Stimme sagen: »Vielleicht können wir die Bluthunde in der Bibliothek unterbringen.«
    Diese Worte scheinen ihn auf dem ganzen Rückweg ins Pfarrhaus zu verfolgen, wo er seinen Eltern eine verkürzte Darstellung des Gesprächs gibt. Er beschließt,

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