Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
Vom Netzwerk:
konnte. Aber eine derartige Mordgier … das passt so gar nicht hierher. In Irland ist es natürlich fast schon eine gesellschaftliche Konvention, dem Vieh des Grundbesitzers zu mitternächtlicher Stunde die Kniesehnen zu durchtrennen. Aber bei diesen Geheimbündlern wundert mich beinah gar nichts mehr.«
    »Ja, Sir.«
    »Wir müssen der Sache ein rasches Ende setzen. Diese Untaten bringen die ganze Grafschaft in Verruf.«
    »Ja, die Zeitungen …«
    »Die Zeitungen sind mir schnurzegal, Campbell. Mir geht es um die Ehre von Staffordshire. Ich will nicht, dass man meine Heimat für einen Tummelplatz von Barbaren hält.«
    »Nein, Sir.« Insgeheim aber dachte der Inspektor, der Chief Constable müsse doch von gewissen Leitartikeln aus jüngster Zeit wissen, die sämtlich nicht schmeichelhaft und bisweilen sogar ausfallend waren.
    »Ich würde meinen, Sie sollten sich mal die Verbrechensgeschichte der letzten Jahre von Great Wyrley und Umgebung vornehmen. Es gab da einige … merkwürdige Vorfälle. Und ich meine, Sie sollten mit den Leuten zusammenarbeiten, die sich hier in der Gegend am besten auskennen. Da ist ein sehr tüchtiger Sergeant, der Name ist mir entfallen. So ein großer, rotgesichtiger Bursche …«
    »Upton, Sir?«
    »Upton, genau. Das ist ein Mann, der die Ohren offenhält.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    »Außerdem ziehe ich zwanzig Hilfspolizisten hinzu. Sie werden Sergeant Parsons unterstellt.«
    »Zwanzig!«
    »Zwanzig, und ich pfeife auf die Kosten. Wenn nötig, bezahle ich das aus eigener Tasche. Ich will einen Constable unter jeder Hecke und hinter jedem Busch sehen, bis dieser Mann gefasst ist.«
    Um die Kosten machte sich Campbell keine Sorgen. Er fragte sich vielmehr, wie man in einer Gegend, in der das kleinste Gerücht schneller war als jedes Telegramm, zwanzig Hilfspolizisten verbergen sollte. Zwanzig meist ortsunkundige Hilfspolizisten gegen einen einheimischen Mann, der vielleicht einfach nur zu Hause blieb und sich ins Fäustchen lachte. Und überhaupt, wie viele Tiere konnten zwanzig Polizisten beschützen? Vierzig, sechzig, achtzig? Und wie viele Tiere gab es im Bezirk? Hunderte, wahrscheinlich Tausende.
    »Noch Fragen?«
    »Nein, Sir. Aber … wenn ich eine nichtdienstliche Frage stellen dürfte?«
    »Nur zu.«
    »Das Portal da draußen. Mit diesen Säulen. Haben die einen Namen? Der Stil, meine ich?«
    Anson sah ihn an, als wäre das die außergewöhnlichste Frage, die ein Polizist im Dienst je gestellt hatte. »Säulen? Ich habe nicht den leisesten Schimmer. In diesen Dingen kennt sich eher meine Frau aus.«
    In den nächsten Tagen vertiefte sich Campbell in die Verbrechensgeschichte von Great Wyrley und Umgebung. Im Großen und Ganzen fand er, was er erwartet hatte. Etliche Diebstähle, meist von Vieh; mehrere tätliche Angriffe; ein bisschen Landstreicherei und Trunkenheit in der Öffentlichkeit; ein versuchter Selbstmord; ein Mädchen, das verurteilt worden war, weil es landwirtschaftliche Gebäude mit Schmähungen beschmiert hatte; fünf Fälle von Brandstiftung; Drohbriefe und unbestellte Warenlieferungen an das Pfarrhaus von Wyrley; einmal Notzucht und zweimal unzüchtiges Verhalten. Soweit er feststellen konnte, hatte es in den letzten zehn Jahren keine Angriffe auf Tiere gegeben.
    Auch Sergeant Upton, der den Bezirk schon doppelt so lange überwachte, konnte sich an dergleichen nicht erinnern. Doch ihm fiel ein Bauer ein, der inzwischen in eine bessere Welt eingegangen war – oder vielleicht auch in eine schlechtere, Sir – und im Verdacht gestanden hatte, seine Gans zu sehr zu lieben, falls Sie verstehen, was ich meine. Diesen Dorfklatsch wollte sich Campbell nicht anhören; er hatte Upton schnell als ein Überbleibsel aus der Zeit erkannt, als die Polizei noch mit Freuden fast jeden einstellte, der nicht eindeutig krumm, lahm oder schwachsinnig war. Upton konnte man bei Gerüchten und Streitigkeiten in der näheren Umgebung zu Rate ziehen, würde ihn aber lieber keinen Eid auf die Bibel schwören lassen.
    »Sie haben’s also rausgekriegt, Sir?«, schnaufte der Sergeant.
    »Wollen Sie mir etwas Bestimmtes mitteilen, Upton?«
    »So würde ich das nicht sagen. Aber man muss schon ein Auge dafür haben. Muss den Braten riechen. Sie kommen bestimmt noch drauf, Inspector. Sie sind doch ein Inspektor aus Birmingham. O ja, Sie kommen bestimmt noch drauf.«
    Upton wirkte auf ihn wie eine Mischung aus durchtriebener Schmeichelei und nebulösem Obstruktionsverhalten. Manche Landarbeiter

Weitere Kostenlose Bücher