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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Durchsuchungsbefehl haben.«
    »Ein Grubenpony wurde aufgefunden …«, Campbell zögerte kurz, schließlich waren auch Frauen anwesend, »… in einem nahe gelegenen Feld … jemand hat es verletzt.«
    »Und Sie verdächtigen meinen Sohn George dieser Tat.«
    Die Mutter legte einen Arm um ihre Tochter.
    »Sagen wir so – es wäre sehr hilfreich, ihn, wenn möglich, aus dem Kreis der Verdächtigen auszuschließen.« Immer die alte Lüge, dachte Campbell, der sich beinahe schämte, wieder einmal zu diesem Mittel zu greifen.
    »Aber einen Durchsuchungsbefehl haben Sie nicht?«
    »Im Augenblick nicht bei mir, Sir.«
    »Also gut. Charlotte, zeige ihm Georges Kleider.«
    »Danke. Und ich gehe davon aus, dass Sie nichts dagegen haben, wenn ich meine Beamten das Haus und das dazugehörige Grundstück durchsuchen lasse.«
    »Nicht, wenn es dazu beiträgt, meinen Sohn aus dem Kreis Ihrer Verdächtigen auszuschließen.«
    So weit, so gut, dachte Campbell. In den Slums von Birmingham wäre der Vater mit einem Schürhaken auf ihn losgegangen, die Mutter hätte geheult und die Tochter hätte versucht, ihm die Augen auszukratzen. Obwohl das in mancherlei Hinsicht einfacher war, da es fast einem Schuldgeständnis gleichkam.
    Campbell wies seine Männer an, nach Messern und Rasiermessern, landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Geräten Ausschau zu halten, die bei der Tat hätten benutzt werden können, und ging dann mit Parsons nach oben. Die Kleider des Anwalts waren auf einem Bett ausgebreitet, einschließlich, wie gewünscht, der Hemden und Unterwäsche. Alles schien sauber zu sein und fasste sich trocken an.
    »Sind das alle seine Kleider?«
    Die Mutter zögerte, ehe sie antwortete. »Ja«, sagte sie. Und dann, nach einigen Sekunden: »Abgesehen von dem, was er anhat.«
    Aber natürlich, dachte Parsons, ich hab nicht geglaubt, er sei nackt zur Arbeit gegangen. Was für eine sonderbare Aussage. »Ich muss sein Messer sehen«, sagte er leichthin.
    »Sein Messer?« Sie sah ihn erstaunt an. »Sie meinen das Messer, mit dem er isst?«
    »Nein, sein Messer. Jeder junge Mann hat ein Messer.«
    »Mein Sohn ist Solicitor«, sagte der Pfarrer mit einiger Schärfe. »Er arbeitet in einer Kanzlei. Er sitzt nicht da und schnitzt an Stöcken herum.«
    »Ich weiß nicht mehr, wie oft man mir schon erklärt hat, dass Ihr Sohn Solicitor ist. Ich bin mir dessen vollauf bewusst. Und ich bin mir auch der Tatsache bewusst, dass jeder junge Mann ein Messer hat.«
    Nach einigem Getuschel ging die Tochter fort und kam mit einem kurzen, stummelartigen Gegenstand zurück, den sie ihm trotzig aushändigte. »Das ist ein Jätmesser«, sagte sie.
    Campbell sah mit einem Blick, dass das unmöglich solche Verletzungen zufügen konnte, wie er sie in letzter Zeit gesehen hatte. Dessen ungeachtet heuchelte er beträchtliches Interesse, trug das Messer ans Fenster und drehte es im Licht hin und her.
    »Das hier haben wir gefunden, Sir.« Ein Constable hielt ihm eine Schachtel mit vier Rasiermessern hin. Eins davon schien feucht zu sein. Ein anderes hatte rote Flecken auf der Rückseite.
    »Das sind meine Rasiermesser«, sagte der Pfarrer rasch.
    »Eins davon ist feucht.«
    »Sicherlich deshalb, weil ich mich vor einer knappen Stunde damit rasiert habe.«
    »Und Ihr Sohn – womit rasiert der sich?«
    Schweigen. »Mit einem von diesen.«
    »Aha. Also sind es genau genommen nicht Ihre Rasiermesser, Sir?«
    »Im Gegenteil. Dies ist seit jeher mein Rasierzeug. Ich besitze es seit mindestens zwanzig Jahren, und als mein Sohn alt genug war, habe ich ihm erlaubt, es mitzubenutzen.«
    »Was er noch immer tut?«
    »Ja.«
    »Sie vertrauen ihm keine eigenen Rasiermesser an?«
    »Er braucht keine eigenen Rasiermesser.«
    »Warum darf er wohl keine eigenen Rasiermesser haben?« Campbell formulierte das halbwegs als Frage und wartete, ob jemand darauf eingehen würde. Nein, das hatte er sich schon gedacht. Diese Familie war irgendwie seltsam, auch wenn er nicht hätte sagen können, warum. Sie waren nicht unkooperativ, machten aber auch keinen ganz ehrlichen Eindruck.
    »Er war gestern Nacht weg, Ihr Sohn.«
    »Ja.«
    »Für wie lange?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher. Eine Stunde, vielleicht länger. Charlotte?«
    Wieder schien die Frau unverhältnismäßig lange zu brauchen, um eine einfache Frage zu beantworten. »Anderthalb, eindreiviertel«, flüsterte sie schließlich.
    Das war mehr als ausreichend, um zum Feld und wieder zurück zu gehen, wie Campbell eben bewiesen

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