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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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hatte. »Und wann war das?«
    »Zwischen acht und halb zehn«, antwortete der Pfarrer, obwohl Parsons die Frage an seine Frau gerichtet hatte. »Er war beim Stiefelmacher.«
    »Nein, ich meinte danach.«
    »Danach nicht mehr.«
    »Aber ich habe gefragt, ob er in der Nacht weg war, und Sie sagten ja.«
    »Nein, Inspector, Sie haben gefragt, ob er gestern Nacht weg war, nicht in der Nacht.«
    Campbell nickte. Er war kein Narr, dieser Gottesmann. »Nun, ich würde mir gern seine Stiefel ansehen.«
    »Seine Stiefel?«
    »Ja, die Stiefel, in denen er weggegangen ist. Und zeigen Sie mir, welche Hose er anhatte.«
    Die Hose war trocken, doch als Campbell sie sich noch einmal genauer ansah, entdeckte er unten an den Hosenbeinen schwarze Schlammreste. Auch die Stiefel waren, als man sie ihm zeigte, schlammverkrustet und noch immer feucht.
    »Das da hab ich auch gefunden, Sir«, sagte der Sergeant, der ihm die Stiefel gebracht hatte. »Scheint mir feucht zu sein.« Er reichte ihm einen blauen Kammgarnmantel.
    »Wo haben Sie den gefunden?« Der Inspektor strich mit der Hand über den Mantel. »Ja, er ist feucht.«
    »Er hing an der Hintertür, gleich über den Stiefeln.«
    »Lassen Sie mich mal fühlen«, sagte der Pfarrer. Er fuhr mit der Hand über einen Ärmel und sagte: »Er ist trocken.«
    »Er ist feucht«, wiederholte Campbell und dachte: Und außerdem bin ich Polizist. »Und wem gehört der?«
    »George.«
    »George? Ich hatte Sie gebeten, mir alle seine Kleider zu zeigen. Ohne Ausnahme.«
    »Das haben wir.« Jetzt sprach wieder die Mutter. »Hier ist alles, was ich als seine Kleidung betrachte. Das da ist nur ein alter Hausmantel, den er nie trägt.«
    »Nie?«
    »Nie.«
    »Trägt ihn jemand anders?«
    »Nein.«
    »Äußerst mysteriös. Ein Mantel, den niemand trägt, der aber griffbereit an der Hintertür hängt. Fangen wir noch einmal von vorne an. Dies ist der Mantel Ihres Sohnes. Wann hat er ihn zuletzt getragen?«
    Die Eltern warfen sich einen Blick zu. Schließlich sagte die Mutter: »Ich habe keine Ahnung. Er ist zu schäbig, als dass er darin ausgehen könnte, und er hat keinen Grund, ihn im Haus zu tragen. Vielleicht hatte er ihn bei der Gartenarbeit an.«
    »Na, schauen wir mal«, sagte Campbell und hielt den Mantel ans Fenster. »Ja, hier ist ein Haar. Und … noch eins. Und … ja, noch eins. Parsons?«
    Der Sergeant warf einen Blick darauf und nickte.
    »Darf ich mal sehen, Inspector.« Der Pfarrer durfte den Mantel inspizieren. »Das ist kein Haar. Ich sehe kein einziges Haar.«
    Nun kamen auch Mutter und Tochter hinzu und zerrten wie auf einem Basar an dem blauen Tuch. Campbell winkte sie fort und legte den Mantel auf einen Tisch. »Da«, sagte er und deutete auf das augenfälligste Haar.
    »Das ist eine Fluse«, sagte die Tochter. »Das ist kein Haar, es ist eine Fluse.«
    »Was ist eine Fluse?«
    »Ein Fädchen, ein loses Fädchen. Das erkennt jeder – jeder, der einmal genäht hat.«
    Campbell hatte Zeit seines Lebens noch nicht genäht, aber er wusste, wann in der Stimme einer jungen Frau Panik lag.
    »Und sehen Sie sich diese Flecken an, Sergeant.« Auf dem rechten Ärmel waren zwei einzelne Flecken, einer weißlich, einer eher dunkel. Weder er noch Parsons sagten ein Wort, aber sie dachten beide dasselbe. Weißlich – der Speichel des Ponys; dunkel – das Blut des Ponys.
    »Ich sagte doch, das ist nur sein alter Hausmantel. Er würde nie darin ausgehen. Und ganz bestimmt nicht zum Stiefelmacher.«
    »Warum ist er dann feucht?«
    »Er ist nicht feucht.«
    Die Tochter hatte noch eine Erklärung, die ihrem Bruder nützen konnte. »Vielleicht fühlt er sich für Sie nur feucht an, weil er an der Hintertür hing.«
    Campbell sammelte ungerührt den Mantel, die Stiefel, die Hose und andere Kleidungsstücke ein, die als am Vorabend getragen erkannt worden waren, und die Rasiermesser nahm er auch mit. Der Familie wurde jeder Kontakt mit George untersagt, bevor sie die polizeiliche Genehmigung dazu bekam. Er postierte einen Mann vor dem Pfarrhaus und befahl den anderen, sich über das Grundstück zu verteilen. Dann kehrte er mit Parsons auf das Feld zurück, wo Mr Lewis seine Untersuchung abgeschlossen hatte und um Erlaubnis bat, das Pony einzuschläfern. Der veterinärärztliche Bericht werde am nächsten Tag bei Campbell sein. Der Inspektor bat ihn, ein Stück Fell von dem toten Tier abzuschneiden. Das sollte Police Constable Cooper zusammen mit den Kleidungsstücken zu Dr. Butter nach Cannock

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