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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Kollegen erfahren hatten. Die Gazette wäre ihm am liebsten, aber die Post würde auch genügen.
    Im Gefängnis von Stafford fragte man ihn, welcher Religion er angehöre, und ob er des Lesens und Schreibens kundig sei. Dann musste er sich nackt ausziehen und eine entwürdigende Haltung einnehmen. Er wurde dem Gefängnisdirektor, Captain Synge, vorgeführt, der ihm mitteilte, er werde im Krankentrakt untergebracht, bis eine Zelle frei sei. Danach wurden ihm seine Vergünstigungen als Untersuchungsgefangener erläutert: Er durfte seine eigene Kleidung tragen, sich Bewegung im Freien verschaffen, Briefe schreiben, Zeitungen und Zeitschriften empfangen. Er durfte seinen Anwalt unter vier Augen sprechen, wobei ihn ein Wärter hinter einer Glastür beobachten würde. Alle anderen Besuche würden überwacht.
    George war in seinem leichten Sommeranzug festgenommen worden, und seine einzige Kopfbedeckung war ein Strohhut. Er bat um Erlaubnis, sich andere Kleider kommen zu lassen. Dies sei, wurde ihm erklärt, gegen die Vorschriften. Untersuchungsgefangene genössen das Privileg, ihre persönliche Kleidung behalten zu dürfen; dies sei jedoch nicht als das Recht auf Einrichtung einer Privatgarderobe in der Zelle zu verstehen.
    SENSATION IN GREAT WYRLEY las George am nächsten Nachmittag. PFARRERSSOHN VOR GERICHT . »Die Festnahme war im gesamten Bezirk Cannock Chase eine Sensation. Davon zeugte auch die Menschenmenge, die gestern über die Straßen zum Pfarrhaus von Great Wyrley, dem Wohnsitz des Angeklagten, sowie zum Polizeigericht und zur Polizeiwache von Cannock zog.« Die Vorstellung, dass man das Pfarrhaus belagerte, entsetzte George. »Die Polizei durfte das Haus ohne richterliche Anordnung durchsuchen. Nach bisher vorliegenden Informationen erbrachte die Durchsuchung eine Anzahl blutbefleckter Kleidungsstücke, mehrere Rasiermesser sowie ein Paar Stiefel, wobei letztere auf einem Feld nahe dem Schauplatz der Verstümmelung gefunden wurden.«
    »Auf einem Feld gefunden wurden«, wiederholte er und sah Mr Meek an. »Auf einem Feld gefunden? Hat jemand meine Stiefel auf ein Feld gebracht? Eine Anzahl blutbefleckter Kleidungsstücke? Eine Anzahl ?«
    Meek schien all dies mit erstaunlicher Ruhe aufzunehmen. Nein, er beabsichtige nicht, die Polizei nach der angeblichen Entdeckung eines Stiefelpaars auf einem Feld zu befragen. Nein, er habe nicht vor, die Birminghamer Daily Gazette um den Abdruck einer Erklärung zu bitten, in der sie ihre Angaben über die Menge der blutbefleckten Kleidungsstücke zurücknahm.
    »Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte, Mr Edalji.«
    »Selbstverständlich.«
    »Ich habe, wie Sie sich denken können, schon viele Mandanten in einer ähnlichen Lage wie der Ihren gehabt, und die meisten wollen unbedingt die Zeitungsberichte über ihren Fall lesen. Das regt sie bisweilen allzu sehr auf. In dem Fall rate ich immer, auch die nächste Spalte zu lesen. Oft hilft das anscheinend.«
    »Die nächste Spalte?« George ließ den Blick ein wenig nach links wandern. ÄRZTIN VERMISST lautete die Überschrift. Und darunter: KEINE SPUR VON MISS HICKMAN .
    »Lesen Sie laut vor«, sagte Mr Meek.
    »Bislang gibt es noch keine Spur im Falle der verschwundenen Miss Sophie Frances Hickman, einer Ärztin vom Royal Free Hospital …«
    Meek ließ sich den vollständigen Artikel vorlesen. Er lauschte aufmerksam, seufzte, schüttelte den Kopf und schnalzte ab und zu sogar mit der Zunge.
    »Aber Mr Meek«, sagte George am Ende, »woher soll ich wissen, ob irgendetwas davon wahr ist, wenn ich bedenke, was sie über mich schreiben?«
    »Genau darauf wollte ich hinaus.«
    »Und dennoch …« Georges Blick wanderte wie magnetisch angezogen zu seinem eigenen Artikel zurück. »Dennoch. ›Der Angeklagte ist, wie aus seinem Namen hervorgeht, asiatischer Herkunft.‹ Das klingt ja, als sei ich ein Chinese.«
    »Ich verspreche Ihnen, Mr Edalji, falls die Zeitung Sie jemals als einen Chinesen bezeichnet, werde ich ein Wörtchen mit dem Herausgeber reden.«
    Am Montag darauf wurde George aus Stafford nach Cannock zurückgebracht. Diesmal schien die Menge auf dem Weg zum Gericht wütender zu sein. Männer rannten neben der Droschke her, sprangen hoch und schauten hinein; manche schlugen gegen die Türen und schwangen Stöcke in der Luft. George bekam es mit der Angst zu tun; doch die ihn begleitenden Constables taten, als wäre das alles ganz normal.
    Dieses Mal saß Captain Anson im Gerichtssaal; George bemerkte eine gepflegte,

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