Arthur & George
Park ein Skalpell oder eine Lanzette gefunden. Die Zeitung vermutete, das Instrument sei beim Fortschaffen der Leiche aus den Kleidern der Frau gefallen. George fragte sich, ob das glaubhaft war. Man fand die Leiche einer vermissten Ärztin, und beim Fortschaffen derselben fielen Gegenstände aus ihren Taschen, ohne dass man das überhaupt merkte? George wusste nicht, ob er das glauben würde, wenn er diesen Todesfall zu untersuchen hätte.
Wie die Post weiter vermutete, war das Skalpell oder die Lanzette Eigentum der Verstorbenen gewesen und womöglich zur Durchtrennung einer Arterie benutzt worden, was zum Tod durch Verbluten geführt hatte. Ein Selbstmord, mit anderen Worten, und somit eine weitere TRAGÖDIE . Nun gut, dachte George, das ist eine mögliche Erklärung. Doch wenn das Pfarrhaus von Wyrley nicht in Staffordshire, sondern in Surrey läge, dann hätte die Polizei eine überzeugendere Theorie konstruiert: dass nämlich der Sohn des Pfarrers aus einem verschlossenen Raum ausgebrochen sei, sich eine Lanzette angeeignet habe, die er noch nie im Leben gesehen hatte, der armen Frau bis in die Schonung gefolgt sei und sie dann ohne jedes ersichtliche Motiv niedergemetzelt habe.
Dieser Schwall von Bitterkeit tat ihm gut. Und während er sich seine phantastische Rolle im Hickman-Fall ausmalte, erinnerte er sich auch an das, was Mr Vachell ihm bei ihrer ersten Besprechung zugesichert hatte. Meine Verteidigung, Mr Edalji? Nun, es gibt keinerlei Beweise, dass Sie das Verbrechen begangen haben, Sie hatten kein Motiv und keine Gelegenheit, es zu begehen. Natürlich werde ich das für den Richter und die Geschworenen noch ein wenig ausschmücken, aber das wird im Wesentlichen der Inhalt meines Plädoyers sein.
Zunächst aber musste er sich die Aussage von Dr. Butter anhören. Dr. Butter war von anderem Schlag als Mr Gurrin, den George für einen Scharlatan hielt, der sich als Experte ausgab. Der Amtsarzt war ein grauhaariger, ruhiger und bedächtiger Herr, dessen Welt aus Reagenzgläsern und Mikroskopen bestand und der sich nur mit konkreten Einzelfragen befasste. Er erläuterte Mr Disturnal sein Vorgehen bei der Untersuchung der Rasiermesser, der Jacke, der Weste, der Stiefel, der Hose und des Hausmantels. Er beschrieb die verschiedenen Flecken, die sich auf den verschiedenen Kleidungsstücken befunden hatten, und erklärte, welche von ihnen als Säugetierblut klassifiziert werden konnten. Er hatte die Haare auf dem Ärmel und dem linken Vorderteil der Jacke gezählt: Insgesamt waren es neunundzwanzig, alle kurz und von roter Farbe. Er hatte sie mit den Haaren auf einem Hautfetzen verglichen, das von dem toten Grubenpony stammte. Auch diese Haare waren kurz und von roter Farbe. Er hatte sie unter dem Mikroskop untersucht und erklärte, sie seien »in Länge, Farbe und Struktur ähnlich«.
Bei Dr. Butter ging Mr Vachell so vor, dass er seine Hochachtung vor der Kompetenz und den Kenntnissen des Arztes zum Ausdruck brachte und dann versuchte, sie zum Vorteil der Verteidigung zu nutzen. Er wies auf die weißlichen Flecken auf der Jacke hin, bei denen es sich der Polizei zufolge um Speichel und Schaum des verwundeten Tiers handelte. Hatte Dr. Butters wissenschaftliche Analyse eine Bestätigung dafür erbracht?
»Nein.«
»Was hat Ihrer Ansicht nach diese Flecken hinterlassen?«
»Stärke.«
»Und wie können solche Rückstände Ihrer Erfahrung nach auf Kleidungsstücke geraten?«
»Ich würde sagen, es handelt sich höchstwahrscheinlich um Rückstände von Brot und Milch vom Frühstück.«
An der Stelle hörte George ein Geräusch, von dem er schon fast nicht mehr wusste, dass es existierte: Gelächter. Die Vorstellung von Brot und Milch rief im Gerichtssaal Gelächter hervor. Das klang für ihn nach Normalität und gesundem Menschenverstand. Während die allgemeine Heiterkeit anhielt, sah er zu den Geschworenen hinüber. Ein oder zwei von ihnen lächelten, doch die meisten bewahrten eine nüchtern-sachliche Miene. George hielt das alles für ein hoffnungsvolles Zeichen.
Nun wandte sich Mr Vachell den Blutflecken auf dem Jackenärmel des Angeklagten zu.
»Sie sagen, das seien Flecken von Säugetierblut?«
»Ja.«
»Daran gibt es absolut keinen Zweifel, Dr. Butter?«
»Nein.«
»Aha. Nun, Dr. Butter, ein Pferd ist doch ein Säugetier?«
»Jawohl.«
»Ebenso wie ein Schwein, ein Schaf, ein Hund, eine Kuh?«
»Gewiss.«
»Ja, sämtliche Lebewesen des Tierreichs, die nicht Vogel, Fisch oder Reptil sind,
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