Arthur & George
können als Säugetiere bezeichnet werden?«
»Ja.«
»Sie und ich sind Säugetiere und die Geschworenen ebenso?«
»Gewiss.«
»Dr. Butter, wenn Sie also sagen, es handele sich um das Blut von Säugetieren, dann sagen Sie damit lediglich, es könne von jeder beliebigen der eben erwähnten Spezies stammen?«
»Das ist richtig.«
»Sie behaupten auch nicht ansatzweise, Sie hätten damit gezeigt oder könnten damit zeigen, dass die kleinen Blutflecken auf der Jacke des Angeklagten von einem Pferd oder Pony stammen?«
»Eine derartige Behauptung ließe sich nicht aufstellen, nein.«
»Und lässt sich anhand einer Untersuchung das Alter von Blutflecken bestimmen? Können Sie zum Beispiel sagen, dieser Fleck ist heute, jener gestern, dieser vor einer Woche, jener vor etlichen Monaten entstanden?«
»Nun ja, wenn er noch feucht ist …«
»War einer der Blutflecken auf George Edaljis Jacke feucht, als Sie ihn untersuchten?«
»Nein.«
»Sie waren alle trocken?«
»Ja.«
»Demnach könnten sie sich Ihrer eigenen Aussage nach seit Tagen, Wochen, sogar Monaten dort befunden haben?«
»Das ist richtig.«
»Und lässt sich feststellen, ob ein Blutfleck von dem Blut eines lebenden oder eines toten Tieres stammt?«
»Nein.«
»Oder etwa aus einem Bratenstück?«
»Auch das nicht.«
»Also, Dr. Butter, wenn Sie Blutflecken untersuchen, können Sie nicht zwischen solchen unterscheiden, die ein Mann bei der Verstümmelung eines Pferdes verursacht hat, und solchen, die vielleicht Monate zuvor auf seine Kleidung kamen, als er zum Beispiel den Sonntagsbraten aufschnitt – oder gar verspeiste?«
»Da muss ich Ihnen recht geben.«
»Und können Sie dem Gericht in Erinnerung rufen, wie viele Blutflecken Sie auf dem Ärmelaufschlag von Mr Edaljis Jacke gefunden haben?«
»Zwei.«
»Und wie ich glaube, sagten Sie, jeder habe die Größe einer Threepenny-Münze gehabt?«
»Jawohl.«
»Dr. Butter, wenn Sie ein Pferd so gewaltsam aufschlitzen würden, dass es verblutet und erschossen werden muss – können Sie sich vorstellen, dass dabei kaum mehr Blut auf Ihre Kleidung kommt, als wenn Sie ein unachtsamer Esser wären?«
»Ich möchte nicht gern spekulieren …«
»Und ich werde Sie ganz gewiss nicht dazu drängen, Dr. Butter. Ich werde Sie gewiss nicht drängen.«
Von diesem Frage-und-Antwort-Spiel beflügelt, hielt Mr Vachell einen kurzen Eröffnungsvortrag für die Verteidigung und rief dann George Ernest Thompson Edalji in den Zeugenstand.
»Er trat mit raschem Schritt aus der Anklagebank und blickte vollkommen gefasst in den dicht besetzten Gerichtssaal.« Das konnte George tags darauf in der Birminghamer Daily Post lesen, und dieser Satz sollte ihn stets mit Stolz erfüllen. Alle vorgebrachten Lügen, die Verleumdungskampagne, die Verunglimpfung seiner Abstammung, die vorsätzlichen Wahrheitsverdrehungen seitens der Polizei und anderer Zeugen änderten nichts daran – er würde seinen Anklägern immer vollkommen gefasst gegenübertreten, wie er es hier bewiesen hatte.
Eingangs ließ Mr Vachell seinen Mandanten genau berichten, was er am Abend des 17 . getan hatte. Beide wussten, dass dies angesichts des durch Mr Lewis’ Aussage nunmehr erwiesenen Zeitrahmens vollkommen unnötig war. Doch Mr Vachell wollte die Geschworenen an Georges Stimme und die Vertrauenswürdigkeit seiner Aussagen gewöhnen. Angeklagte durften erst seit knapp sechs Jahren in eigener Sache aussagen, und es galt noch immer als eine gefährliche Neuerung, einen Mandanten in den Zeugenstand zu rufen.
Also wurde ein weiteres Mal Georges Besuch bei dem Stiefelmacher Mr Hands geschildert und sein Spaziergang an jenem Abend für die Geschworenen nachvollzogen – allerdings erwähnte George auf Anregung von Mr Vachell nicht, dass er bis Greens Hof gegangen war. Dann beschrieb er das Abendessen im Familienkreis, die Schlafarrangements, die verschlossene Schlafzimmertür, sein Erwachen am nächsten Morgen, das Frühstück und seinen Aufbruch zum Bahnhof.
»Und am Bahnhof – erinnern Sie sich, mit Mr Joseph Markew gesprochen zu haben?«
»Ja, in der Tat. Ich stand auf dem Bahnsteig und wartete auf meinen üblichen Zug – den 7 : 39 –, als er mich ansprach.«
»Erinnern Sie sich, was er sagte?«
»Ja, er sagte, er habe eine Nachricht von Inspector Campbell. Ich solle nicht in meinen Zug einsteigen, sondern auf dem Bahnhof warten, bis der Inspektor mit mir reden könne. Vor allem ist mir allerdings Markews Ton in Erinnerung
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