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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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öffnete ein Fenster, unter dem eine eiserne Feuertreppe zum Vorschein kam. Das schien ihn zu beruhigen, aber er sagte immer noch nichts. Die Frage, was er nun von mir denken mochte, lastete schwer auf mir, aber vielleicht hatte ich es nicht anders verdient.
    »War sie verletzt?« Sean wirkte, als wäre er gar nicht mehr ganz da. Gebrochen.
    »Ich weiß es nicht.« Ich schloss die Augen, erinnerte mich, wie der Schlagstock krachend auf ihren zierlichen Körper niedergefahren war. Ja, sie war verletzt worden. Aber der fieberhafte Glanz in seinen Augen hielt mich davon ab, ihm die Wahrheit zu sagen. Es kam mir grausam vor, ihm davon zu erzählen, obwohl er rein gar nichts tun konnte.
    »Und du hast Brock nie von mir und Becca erzählt?« Sein Ton klang immer noch ein wenig misstrauisch.
    »Nein. Rebecca war …« Ich zögerte kurz. »Rebecca war meine Freundin. Vielleicht nicht gleich am Anfang. Und sie denkt vermutlich auch jetzt noch anders darüber. Aber ich werde sie nie vergessen. Ich weiß, ich kann sagen, was ich will, es wird nichts ändern, aber ich wünschte, die Dinge wären anders gelaufen.«
    Für einen Moment schwieg Sean.
    »Wie hast du herausgefunden, dass sie hier ist?«, fragte ihn Chase nach einer Weile, und ich überlegte, ob nur Neugier ihn veranlasst hatte, sein Schweigen zu brechen, oder ob etwas anderes dahintersteckte.
    Hastig erzählte uns Sean, wie er aus dem Stützpunkt in Cincinatti rausgeworfen worden war, zu dem man ihn nach dem Vorfall in der Reformschule geschickt hatte, und wie er Billy und Riggins begegnet war, die in der Stadt nach herumirrenden Soldaten gesucht hatten, um sie für den Widerstand anzuwerben. Zu Billys besonderen Talenten gehörte das Aufbrechen von MM -Streifenwagen und das Abrufen der Gefangenenlisten über deren Scanner. So hatte Sean von Rebeccas Verlegung erfahren.
    Mir kam der Scanner in den Sinn, den der Mann von der Highway Patrol benutzt hatte, als er uns angehalten hatte. Ein Minicomputer. Billy war offenbar ziemlich schlau.
    Da er keine Chance hatte, in den Stützpunkt einzubrechen, ohne sich dabei umzubringen, hatte Sean beschlossen, für den Widerstand zu arbeiten, bis Billy ihm weitere Informationen über Rebecca beschaffen konnte.
    Ehe Sean uns noch mehr erzählen konnte, rief ihn Wallace über den Korridor zu sich.
    »Morgen bringe ich euch zu dem Schleuser«, sagte er.
    »Sean, warte«, hielt ich ihn auf, als er gehen wollte. »Es … Es tut mir so leid.«
    Lange starrte er mich aus müden Augen an, doch in ihnen lag kein Groll und auch kein Misstrauen mehr. Er warf mir nichts vor. Und irgendwie fühlte ich mich deswegen noch schlechter.
    »Die sind schuld, Miller. Nicht wir. Dem FBR sollte es leidtun.«
    Nach einer Weile ging ich zum Fenster. Die kalte Luft, die mir über das Gesicht strich, war mir ein Trost. Durch die Gitterstangen der Feuertreppe konnte ich in der Ferne Scheinwerfer über Straßenkreuzungen kriechen sehen, und eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Die Ausgangssperre war in Kraft. Die MM war gleich da unten. In der ganzen Umgebung. Überall.
    Dem FBR sollte es leidtun , hatte Sean gesagt.
    Und er hatte recht. Die hatten Rebecca verschleppt. Und meine Mutter. Und Chase hatten sie beinahe gebrochen. Nun konnten wir nie wieder nach Hause zurückkehren. Wir würden für alle Zeiten untertauchen müssen.
    Wie sehr ich mich bemühte, an etwas anderes zu denken, wurde ich doch ständig mit den Bildern des heutigen Tages bombardiert. Die vielen, drängelnden hungrigen Menschen. Der tote Mann an dem Generator. Sean – als ich noch nicht gewusst hatte, dass es Sean war –, der mich durch die Menge geschleift hatte. Die Einsicht, dass Chase es immer noch schaffen konnte, auch wenn ich es nicht mehr konnte.
    Er war stärker als ich. Ein Kämpfer. Er konnte in dieser Welt überleben.
    »Wir brauchen einen neuen Plan. Neue Regeln«, setzte ich an, um eine kraftvolle Stimme bemüht. Chase hatte auf die Geräusche im Korridor gelauscht, aber als er mich reden hörte, löste er sich von der Tür und wartete darauf, dass ich fortfuhr. Ich hoffte, er würde mir keine Schwierigkeiten machen; es war schwer genug, mich damit abzufinden, was ich nun sagen würde.
    »Wenn die MM einen von uns entdeckt, muss der andere weiterziehen. Der andere muss zu dem sicheren Haus gehen, meine Mutter suchen und sich vergewissern, dass es ihr gut geht.«
    Meine Worte hörten sich so hohl an. Chase erwiderte nichts.
    »Du darfst nicht versuchen, mich zu befreien,

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