Artikel 5
Die Zweifel, die mir schwer wie ein Stein im Magen lagen.
»Ich komme nicht gut zurecht«, sagte er. »Nicht ohne dich.«
Mein ganzer Körper fühlte sich an, als wäre ich eine Treppe hinuntergefallen. Was er da sagte, ergab keinen Sinn, aber das Gefühl, das in seinen Worten mitschwang, rührte mich im tiefsten Inneren.
»Spiel nicht mit mir, Chase. Das ist nicht lustig.«
»Nein, das ist es nicht«, stimmte er mir voller Ernst zu, wirkte dabei aber wie zerrissen.
»Was willst du damit sagen?«
Er legte eine Hand an die Kehle, so als wollte er seine Worte zurückhalten, aber sie kamen doch raus.
»Du bist mein Zuhause. Für mich.«
Mein erster Gedanke war purer Selbstschutz. Das nimmt er wieder zurück. Genau wie bei den Loftons. Wie danach im Wald. Ich wollte ihm sagen, dass er aufhören soll, damit es nicht so wehtäte, wenn er sich wieder anders entschied, aber ich konnte nicht. Viel zu sehr wünschte ich mir, es wäre wahr.
Ich saß auf dem Bett.
»Ich erinnere dich an dein Zuhause«, stellte ich klar, und es war, als hätte ich die Erinnerungen an die Vergangenheit beschworen.
Er kniete vor mir. »Nein. Du bist mein Zuhause.«
Ich war zu verblüfft, um etwas zu sagen.
Dann überlegte ich, was Zuhause für mich bedeutete. Sicherheit und Liebe. Glück. Ich konnte nur raten, was es für jemanden wie Chase bedeuten mochte, jemanden, der keinen Mittelpunkt hatte, an dem er sich festhalten konnte, der keine Stabilität und keine Beständigkeit mehr gekannt hatte, seit seine Eltern gestorben waren.
Und all das, nachdem er gehört hatte, was ich Sean und Rebecca angetan hatte.
Er beobachtete mich, versuchte, meine Reaktion auf seine Worte zu ergründen. Zu gern hätte ich ihm gesagt, wie sehr sie mich berührt hatten, aber nichts konnte auch nur ansatzweise ausdrücken, was ich empfand.
Zögernd griff ich nach seiner Hand, und als er sie mir bereitwillig reichte, schmiegte ich meine Wange an seine Handfläche. Ich sah, wie er schluckte, sah seine großen, braunen Wolfsaugen dunkler werden, wie sie es immer taten, wenn er tiefe Gefühle hegte. Er rückte näher an mich heran.
»Denk an mich«, flüsterte er, und dann berührten seine Lippen die meinen.
Sein Kuss war so sanft, wie er sich in meinen Erinnerungen anfühlte, wenn ich an seine Berührung von vor einem Jahr dachte. Wenn er nur ein Geist war, der mir das Gefühl gab, dass ich allein war. Aber ich brauchte mehr. Ich brauchte ihn leibhaft hier bei mir, nicht nur ein Echo der Vergangenheit.
Ich zog ihn an mich, und er erwiderte die Einladung, indem er mich leidenschaftlicher küsste, bis sich mein ganzer Körper lebendig und wie elektrisiert anfühlte. Dann glitten seine Hände zu meinen Schultern und weiter herab über meinen Rücken und hinterließen auf ihrem Weg eine durchdringende Wärme.
»Du warst es immer«, sagte ich leise. »Du bist immer derjenige, an den ich denke.«
Sein Blick war so eindringlich, mir blieb die Luft weg.
Ich konnte ihn spüren, alles von ihm. Seine Seele war mit meiner verknüpft. Sein erhitztes Blut strömte durch meine Adern. Ich hatte geglaubt, ich wäre meiner Mutter nahe gewesen, und das war ich auch, aber nicht so. Chase und ich berührten uns kaum – unsere Hände, Lippen, Knie –, aber es gab keinen Teil von mir, der nicht auch ein Teil von ihm gewesen wäre.
Ich konnte nicht sprechen, aber hätte ich es gekonnt, so hätte ich ihm gesagt, dass ich ihn vermisst hatte. Dass ich akzeptierte, wer er heute war, ihn akzeptierte mit all seiner Schuld und all seinen Ängsten. Dass ich an seiner Seite bleiben würde, während er sich erholte.
»Danke«, flüsterte er. Konnte er meine Gedanken hören? Das kam mir gar nicht so abwegig vor. Warum auch immer er mir gedankt hatte, ich war ebenfalls dankbar.
Er hielt mich fest, und unser Herzschlag wurde langsamer, bis er in einem einzigen Puls vereint war. Und mein Geist wurde vollkommen und segensreich still.
Krach auf dem Korridor weckte mich auf. Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte, aber inzwischen lag ich allein in dem Schlafsack.
Hatte ich nur geträumt, was passiert war? In den letzten paar Tagen hatte sich alles so surreal angefühlt; Chases Geständnis passte da hervorragend hinein. Und doch erinnerten sich meine Lippen an das Gefühl von seinen, und mein Herz schmerzte unter seiner Abwesenheit.
Ich setzte mich auf und schlüpfte in meine Stiefel. Als ich den Gang betrat, war der Lärm verklungen, aber ich hörte Geräusche aus Wallaces
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