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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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grünen Augen. Seine Finger glitten über meine Kehle, betasteten meine Halsader. Seine Berührung war allzu sacht, und ich konnte das Pulsieren der Energie darunter spüren. Unsicher atmete ich aus, die Hände zu Fäusten geballt. Tucker war neidisch auf Chase, auf all die Aufmerksamkeit, die er erhalten hatte. Womöglich würde er mich verletzen, nur um sich an seinem ehemaligen Partner zu rächen.
    »Hast du Angst?«, flüsterte er. »Weißt du, was ich dir antun kann?«
    »Rebecca Lansing«, sagte ich nur und schluckte mühsam.
    Zu meiner Erleichterung ließ er meine Kehle los.
    »Resozialisierungszentrum in Chicago.«
    Mein Magen sackte etwas tiefer. Chicago. Die Stadt, in der Chase mit seinem Onkel gewohnt hatte. In der er eingezogen worden war. Es dürfte nicht leicht werden, sie in einer kriegszerstörten Stadt zu finden, in der sich einer der größten Stützpunkte des ganzen Landes befand.
    »Sie haben sie nicht umgebracht?«
    »Sie hatte Glück. Wer weiß, vielleicht hast du das ja auch.«
    Zeit zu gehen. Ich stieß mich von dem Schrank ab.
    »Warte, warte, warte.« Er verstellte mir den Weg. »Wir haben doch gerade erst angefangen. Einen Mann kannst du nicht einfach so abschalten.«
    Ich unterdrückte einen Würgreiz. Und dann spitzte ich die Ohren. »Der Wachmann kommt gerade. Wollen Sie immer noch rummachen? Vielleicht will er ja zuschauen.«
    Tucker lauschte und verzog das Gesicht, als er die Schritte wahrnahm. Während er abgelenkt war, schnappte ich mir meine Decke und schlüpfte hinaus auf den Korridor. Hatte der Wachmann mich erst gesehen, konnte Tucker nicht mehr verheimlichen, dass ich bei ihm gewesen war.
    »Guter Zug«, sagte er und klatschte leise in die Hände. »Du bist ein echter Plagegeist.«
    Mein Gesicht glühte, und meine Zähne mahlten, aber ich zwang mich, gelassen den Korridor hinunterzuschlendern, wohl wissend, dass er jeden meiner Schritte beobachtete. Vor meiner Zelle wartete ich darauf, dass er mir die Tür öffnete und mich hineinließ. Wenige Augenblicke später unterhielt er sich gedämpft mit dem Wachmann, und ich hörte sie den ganzen Weg bis zur Treppe hinuntergehen.
    Und dann wickelte ich die zerdrückte Decke aus, um die Waffe herauszuholen – die, die ich Tucker gestohlen hatte, als er kontrolliert hatte, ob jemand auf dem Gang war –, und ein Lächeln trat auf meine Lippen.
    Hellwach arbeitete ich einen Plan aus. Schritt für Schritt.
    Delilah würde mich kurz nach Aufhebung der Ausgangssperre abholen. Wir würden ins Lager gehen, und dort würde ich sie zwingen, mir den Schlüssel zu geben. Hoffentlich machte sie keinen Aufstand, wenn ich sie dort einsperrte. Anschließend würde ich einen Wäschewagen am Büro vorbei zu dem Lastenfahrstuhl schieben und ins Erdgeschoss hinunterfahren. Die Wachen am hinteren Tor würden mich nicht aufhalten; die würden annehmen, dass ich unterwegs zum Krematorium wäre, und damit hätten sie sogar recht, denn dort wollte ich den Wagen an der Nebentür unter dem Vordach abstellen und Fersengeld geben.
    Ich gestattete mir nicht, irgendwelche Abweichungen von diesem Plan auch nur in Erwägung zu ziehen, zumal ich bereits wusste, was ich tun würde, sollte irgendetwas schiefgehen.
    Die Pistole lag in meiner Hand, und ich drehte sie hin und her und erwärmte den Griff in meiner Handfläche, prägte mir das Gefühl für ihr Vorhandensein ein. Es war die Art Waffe, die auch Chase erhalten hatte: glatte Oberfläche, silbern, dicker Lauf. Immer wieder sicherte und entsicherte ich die Waffe, um mich an Geräusch und Gefühl zu gewöhnen.
    Kurz überlegte ich, was Beth und Ryan wohl denken würden, könnten sie mich jetzt sehen. Nun war ich nicht mehr das verängstigte kleine Mädchen, das zur Resozialisierung geschleift worden war. Etwas in mir hatte sich verändert, etwas hatte sich abgenutzt und mich härter gemacht. Ich bezweifelte sogar, dass ich noch so aussah wie früher.
    Seine Familie zu verlieren … da bekommt man ein ganz anderes Verhältnis zu solchen Gefühlen wie Angst , hatte Chase einmal zu mir gesagt. Ja, das konnte ich nun verstehen. Die Furcht verschwand zwar nicht, wurde aber fassbarer wie eine scharfe Klinge, die man bei sich tragen musste.
    Gedämpfte Stimmen auf dem Korridor erregten meine Aufmerksamkeit. Für einen Gefangenentransport war es zu spät; es musste kurz vor Mitternacht sein. Neugierig stopfte ich die Waffe unter die Matratze und presste das Ohr an die Tür.
    »Ein mieser Scheißkerl ist er, so viel steht

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