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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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er dich dem Gefangenentransport übergeben hat.« Er sah rasch zu mir herüber und wandte sich gleich wieder ab. Seine Züge sahen verhärmt und angespannt aus.
    »Warum hätte Tucker die Besserungsanstalt anrufen sollen?«, fragte ich, insgeheim erleichtert, dass Chase ihn anscheinend genauso wenig leiden konnte wie ich.
    Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht. In diesem Moment war er über den Punkt, an dem er hätte wütend sein können, offenbar weit hinaus. Stattdessen wirkte er beinahe gequält. Tucker musste Chase irgendetwas wirklich Schlimmes angetan haben.
    Oder Chase hatte Tucker etwas wirklich Schlimmes angetan. Was erklären könnte, welches Interesse Tucker daran haben mochte, ihn zu verraten.
    »Das ist … eine längere Geschichte.«
    »Was für eine Geschichte?«, hakte ich argwöhnisch nach.
    Ich hörte, wie Chase mit dem Absatz auf den Boden pochte. Er schwieg lange genug, dass ich befürchtete, er würde meine Frage nicht beantworten. Dann seufzte er schwer und gab sich geschlagen.
    »Tucker hat sich beim FBR verpflichtet, als ich eingezogen worden bin. Wir waren in derselben Ausbildungsgruppe.« Er rieb sich die Augen mit den Handballen.
    »Und ihr habt euch gut verstanden«, soufflierte ich. Chase dazu zu bringen, irgendetwas näher zu erläutern, war wie Zähneziehen.
    »Nein« , sagte er. »Wir hatten ein paar Dinge gemeinsam. Dinge, die wichtig für unsere Ausbildung waren. Wir sind ungefähr gleich groß, also haben sie uns beim Nahkampftraining gegeneinander antreten lassen, und …«
    »Nahkampf?«
    »Ja. Kampftechniken trainieren. Erst schien er ganz in Ordnung zu sein, still, aber anständig. Wir hatten zusammen Unterricht, genau wie in der Schule. Über die Statuten. Verhandlungsführung. Und über Taktiken und Vorgehensweisen im Umgang mit Unruhe stiftenden Zivilisten.«
    Ich schnaubte verächtlich und dachte daran, wie meine Mom den Soldaten erklärt hatte, sie sollten von unserem Grundstück verschwinden.
    »Er ist in Schwierigkeiten geraten …« Chase wedelte mit der Hand, anscheinend um anzudeuten, dass dieser Teil der Geschichte irrelevant war. »Danach war er eine echte Pest. Hat alles infrage gestellt, was der Ausbilder gesagt hat. Sich geweigert, Befehle zu befolgen. Der Junge konnte nicht einmal die Papiere für eine Fahrzeuganforderung korrekt ausfüllen.«
    Ich legte die Stirn in Falten. Ich wollte nicht hören, dass Tucker gegen die MM rebelliert hatte, denn das war das, was ich getan hatte, und ich wollte einfach nichts mit diesem blonden, grünäugigen Feigling gemeinsam haben. Ungeduldig winkte ich Chase zu, er möge fortfahren.
    »Nicht, dass er nichts hätte richtig machen können. Nein, er hat sich mit voller Absicht bemüht, die Dinge falsch zu machen. Immer wieder hat er sich vom Stützpunkt geschlichen, ist erwischt und in den Bau geworfen worden. Sein Sold wurde gekürzt, er wurde degradiert. Er war es irgendwie gewohnt, selbst den Ton anzugeben, und er hatte … na ja … Verbindungen, daheim, die er nicht so einfach lösen konnte.«
    »Man muss sein ganzes Leben der Sache widmen, richtig?« Ich tat gleichgültig, zugleich erinnerte ich mich jedoch gepeinigt an das, was mir Rebecca in der Besserungsanstalt erzählt hatte. Wie schön für dich, dachte ich, dass du deine Verbindungen so einfach lösen konntest.
    »Ja.« Er wirkte ein wenig erleichtert. »Die Standardvorgehensweise verlangt den Abbruch aller früheren Beziehungen. Frauen gelten als störende Ablenkung, Versuchung des Fleisches und so weiter.« Er lachte unbehaglich.
    Ein saurer Geschmack kroch meine Kehle empor. Mir war unvorstellbar, dass er solch lächerliche Regeln befolgen konnte, aber seine Regelkonformität machte seine Veränderung nur noch realer. Der Gedanke, dass Chase sich so kurz nach seiner Einberufung bereits so sehr verändert hatte, gab mir das Gefühl, ihn im Grunde nie wirklich gekannt zu haben.
    Langsam kam mir der Verdacht, ich könnte den falschen Eindruck von Tucker gewonnen haben und jegliche Hoffnung, die ich noch gehegt haben mochte, mein alter Chase könnte zu mir zurückkommen, wäre so realistisch wie die Idee, ich könnte heimkehren und die Highschool abschließen. Aber diese Gedanken fühlten sich genauso falsch an wie das, was Chase mir nun erzählte.
    »Also hat mein kommandierender Offizier Tucker und mich zu Partnern erklärt und mir gesagt, ich könnte nur aufsteigen, wenn er all seine Kurse abgeschlossen hätte.«
    »Und das wolltest du?«,

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