Artikel 5
hängen, zusammen mit dem jämmerlichen, provisorischen Verband, den er über die Wunde gelegt hatte.
So hatte ich Chase noch nie zuvor gesehen, und meine Phantasie erwies sich, verglichen mit der Realität, als reichlich blass. Seine Muskeln zeichneten sich in harten Linien unter der kupferfarbenen Haut seiner Schultern ab und kollidierten weiter unten mit der breiten Brust. Sein Bauch war perfekt ausgebildet, und ein V zeichnete sich vage an seinem Unterleib ab und verschwand im Bund seiner Jeans.
Meine Fingerspitzen prickelten, und ich fragte mich, ob sich seine Haut so glatt anfühlte, wie sie aussah.
»Gib mir die Tasche. Da drin ist ein Verbandskasten«, sagte er. Ich erschrak geradezu beim Klang seiner Stimme und errötete so sehr, dass sich meine Wangen tief purpurn gefärbt haben müssen.
Was war eigentlich in mich gefahren? Wir waren gerade in ein Haus eingebrochen, und ich stand kurz davor, mir eine Messerwunde anzusehen. Nichts an unserer Lage verströmte auch nur die geringste Romantik.
Ich bin nur müde, besänftigte ich mich in Gedanken, obwohl ich genau wusste, dass es nicht so war. Als ich mich bückte, um die Tasche aufzuheben, strich ich mir das Haar ins Gesicht und hoffte, es würde meine Scham verbergen.
Er wühlte den Verbandskasten hervor und klappte ihn neben der abkühlenden Suppe auf dem Tisch auf. Ich legte die benötigten Materialien bereit: eine Handvoll Verbandsmull, ein Fläschchen Wasserstoffperoxid und ein feuchtes Handtuch. Dann drückte ich den Stoff so sanft wie möglich auf die Wunde und tupfte das Blut ab, das seine Haut befleckte. Die Schnittwunde war tief und zog sich von der Innenseite seines Bizeps’ kreisförmig bis zur Schulter.
Ich wusste, was ich zu tun hatte, und ich wusste, es würde mir nicht gefallen. Ich tränkte den Verbandsmull mit Wasserstoffperoxid.
»Tut mir leid«, flüsterte ich, ehe ich den Verbandsstoff auf die Wunde presste.
Er fluchte wütend, bleckte die Zähne und hätte mich beinahe umgestoßen, und ich hörte, wie er scharf Luft durch den Mund sog.
»Ich habe doch gesagt, es tut mir leid.«
Ich sammelte mich, nachdem ich gegen den Tisch geprallt war, und wischte das frische Blut ab, das aus der Wunde sickerte. Mit einer sauberen Stelle des Handtuchs übte ich Druck auf die Wunde aus. Sie war so lang, dass ich beide Hände brauchte. Es dauerte eine Weile, bis mir bewusst wurde, dass er mit der gesunden Hand meinen Ellbogen gepackt hatte und immer noch festhielt.
»Du müsstest wahrscheinlich genäht werden«, sagte ich ein wenig zerknirscht. »Ich weiß, es beißt, aber das lässt nach.«
»Es brennt höllisch.«
»Sei kein Baby«, stichelte ich. Er schüttelte den Kopf, aber seine Miene war nicht mehr gar so düster.
Auf der Unterseite seines Kinns bildete sich ein blauer Fleck, und an der Seite seines Oberkörpers entdeckte ich einen noch größeren Bluterguss, der mir vorher nicht aufgefallen war. Ich berührte ihn vorsichtig mit den Fingerspitzen, und er zischte angespannt.
»Hat er dir eine Rippe gebrochen?« Die Furcht, die ich vor Rick empfunden hatte, wandelte sich in glühenden Zorn.
»Nein«, sagte Chase, verzog aber weiter das Gesicht. »Aber du vielleicht.«
»Was?«
»Als du mit diesem Stock um dich geschlagen hast, hast du mich getroffen.«
Meine Augen wurden groß und rund, und mein Mund klappte auf.
»Entspann dich. Ihn hast du mindestens zweimal getroffen.« Er gluckste leise.
»Oh, gut. Nehme ich an. Gott, es tut mir so leid.«
»Vergiss es. Aber erinnere mich daran, dass ich dir nicht in einer dunklen Gasse begegnen möchte.«
Ich rang mir ein schiefes Lächeln ab.
Als die Blutung gestillt war, schloss ich die Wunde mit mehreren schmetterlingsförmigen Pflastern aus dem Verbandskasten, in der Hoffnung, dass das reichen würde. Danach wickelte ich eine saubere Mullbinde um seinen ganzen Arm und klebte sie mit dickem, weißem Klebeband fest.
»Deine Knöchel sehen ziemlich zerfetzt aus«, stellte er fest, und ein gespannter Zug zeigte sich um seine Lippen.
Ich untersuchte meine Finger. Sie waren wund, nachdem ich sie mir beim Aufsammeln der Waffe am Boden aufgeschrammt hatte, zerschlagen und kaputt seit der Besserungsanstalt, und nun, da er mich wieder darauf aufmerksam gemacht hatte, taten sie auch weh. Bis dahin hatte ich meinen Schmerz angesichts des seinen schlicht vergessen.
Ich reinigte die Haut, aber er klebte mir die Pflaster auf die Finger. Wieder musterte er die Wunden, die Brock mir zugefügt
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