Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
Vom Netzwerk:
rausgegangen. Niemand wäre so dumm, diese Formulare eine ganze Woche auf dem Küchentisch liegen zu lassen.«
    Es sei denn, er hatte keine Zeit mehr zum Aufräumen. Keiner von uns sprach aus, was wir beide dachten.
    Vielleicht hatte Chase ja recht, vielleicht war er nur kurz draußen. Oder er floh gerade nach South Carolina. Im schlimmsten Fall würden wir uns die nächsten paar Tage hier verstecken müssen. Ich bemühte mich um eine positive Einstellung, aber die Vorstellung, noch eine ganze Woche warten zu müssen, ehe ich meine Mutter wiedersehen würde, war niederschmetternd.
    Mit einem Kissenbezug wischte ich die Arbeitsflächen in der Küche ab und fühlte mich gleich etwas besser, als aus dem Wasserhahn Wasser hervorgurgelte und gleich darauf in einem kräftigen Strahl in die Spüle schoss. Auch der Herd funktionierte. In dem Moment, in dem ich ihn anschaltete, fing mein Magen zu knurren an. Nachdem ich mich im Maisfeld übergeben hatte, hatte ich keine Gelegenheit mehr bekommen, etwas zu essen.
    Glücklicherweise hatte Chase aus dem Laden auch einen Topf und eine Messer-Löffel-Kombination mitgenommen. Ich füllte den Topf mit Wasser und stellte ihn auf den Herd, um mithilfe einer Packung getrockneter Brösel eine Gemüsesuppe zu machen.
    Während ich die Suppe rührte, setzte sich Chase an den Tisch und schaltete das MM -Radio ein. Schon der bloße Anblick ließ meine Sorgen wieder aufleben, und doch war ich sonderbar neugierig zu erfahren, ob wir es in die Schlagzeilen geschafft hatten.
    Statisches Knistern ertönte. Ich starrte das Ding so fasziniert an, dass mir Chases unbeholfener Versuch, seine Jacke abzustreifen, beinahe entgangen wäre. Hastig eilte ich zu ihm, um ihm zu helfen, und war froh über die Ablenkung.
    »Hab’s vergessen«, gab ich schuldbewusst zu. »Komm, lass mich helfen.«
    Er ließ die Hände sinken, und ich öffnete vorsichtig den Reißverschluss und biss mir auf die Lippe, als ich die Jacke von seiner rechten Schulter streifte. Zum Schutz vor der Kälte trug er sein Flanellhemd, und das trocknende Blut wirkte wie ein Kleber, sodass der zerfetzte Stoff fest auf der Haut haftete. Mir drehte sich der leere Magen um.
    Ich hatte gesehen, wie es passiert war, und nun erinnerte ich mich, wie mühelos das Metall sein Fleisch aufgeschlitzt hatte. Chase gestattete mir, seinen Arm anzufassen, und beurteilte die Schwere seiner Verletzung anhand meines Gesichtsausdrucks.
    »Du musst dein Hemd ausziehen«, sagte ich zu ihm und errötete auf der Stelle. Nicht, dass ich irgendwelche intimen Absichten gehegt hätte. Außerdem hatte ich ihn, als wir noch Kinder gewesen waren, Hunderte Male mit nacktem Oberkörper gesehen. Vielleicht nicht mehr, seit unsere Freundschaft einer anderen Art von Beziehung gewichen war – auch wenn wir in diesem Punkt nie besonders weit gekommen waren –, trotzdem. Es gab keinen Grund, verlegen zu sein. Nicht den geringsten.
    Er versuchte gar nicht, den verletzten Arm zu heben, und ich fragte mich, welchen zusätzlichen Schaden die vergangenen Stunden angerichtet hatten, in denen die Wunde unversorgt geblieben war.
    Als mir klar wurde, wie er sich plagte, glitt ich zwischen seine Knie und tat, als hätte es nicht die geringste Auswirkung auf meinen Pulsschlag, jeden einzelnen hölzernen Knopf an seinem Brustkorb zu öffnen. Er dankte mir mit einem kurzen Nicken, ehe er zum Fenster hinausstarrte.
    Dann füllte die Stimme der vergangenen Nacht die Küche und vertrieb das statische Rauschen. Es war zwar dumm, aber mir war, als wären wir bei etwas erwischt worden, was wir nicht hätten tun dürfen.
    »Colonel David Watts für Region Zwei-achtunddreißig. Es ist Donnerstag, der zehnte März. Hier der Bericht des Tages.«
    Mir wurde bewusst, dass ich die Besserungsanstalt vor gerade einem Tag verlassen hatte. Mir kam es vor, als wären Monate vergangen.
    Ich wandte mich vorübergehend von Chase ab, um den Herd auszuschalten und den Topf auf den Tisch zu stellen. Feine Dampfwolken wirbelten in der kalten Luft in der Küche auf.
    Colonel Watts berichtete von den fortdauernden Bemühungen, die Grenzen nach Kanada und Mexiko für die »Verräter an der Sache« dichtzumachen, Amerikaner, die versuchten zu fliehen, und erklärte, es gäbe immer noch keine neuen Informationen über den verschwundenen Uniformlaster aus Tennessee. Ich half Chase, das Flanellhemd abzulegen. Darunter trug er Thermowäsche, und als ich ihm das Oberteil über den Kopf zog, blieb sein Unterhemd daran

Weitere Kostenlose Bücher