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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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für den Fall, dass wir schnell verschwinden mussten, und kontrollierte mein Haar im Spiegel. Die Kürze erschreckte mich. Seit Chase es abgeschnitten hatte, hatte ich keine Gelegenheit bekommen, mich an mein Spiegelbild zu gewöhnen. Nun, nass, konnte ich all die ungleichmäßigen Schnittspuren sehen, an denen sein Messer vom Weg abgekommen war. Stirnrunzelnd ging ich in die Knie, um in dem Rucksack nach meinem Haargummi zu suchen, aber dann verharrte meine Hand an der Außentasche.
    Warum hatte Chase mir nie gestattet, einen Blick hineinzuwerfen? Er hatte stets darauf bestanden, alles selbst herauszuholen, was ich aus dieser Tasche brauchte. Irgendetwas musste er dort drin versteckt halten.
    Ich schaute mich zur Tür um, dieses Mal, weil ich fürchtete, Chase könnte nach mir sehen wollen. Als ich die Ohren spitzte, konnte ich Ronnie im Wohnzimmer mit seinen Autos spielen hören. Ich öffnete den dicken, kupferfarbenen Reißverschluss.
    Ganz oben lag Kleidung, ökonomisch kompakt zusammengerollt. Das meiste war klamm von der Feuchtigkeit, die durch den schweren Stoff gedrungen war. Darunter entdeckte ich mein Haargummi, das ich mir automatisch über das Handgelenk streifte, dann Streichhölzer, eine Taschenlampe, den gefürchteten Schlagstock, eine Seifenschachtel aus Plastik und ein paar andere Toilettenartikel. Schließlich fand ich einen Ziploc-Beutel mit Geld. Mir klappte der Unterkiefer herab, als ich in den Scheinen blätterte. Alles Zwanziger. Zusammen an die fünftausend Dollar. Wie lange hatte Chase dafür gespart?
    Meine Hand stieß auf etwas anderes. Ein Statutenrundbrief, der um etwas Hartes, Rechteckiges gefaltet und mit einem Gummiband befestigt worden war. Das Gummiband löste sich leicht, und das Papier ließ sich an den Kanten mühelos auseinanderfalten. Hervor kam ein Taschenbuch, vollgestopft mit allerlei gefalteten Zetteln.
    Mein Herz pochte gegen meine Rippen. Auf dem abgenutzten Cover stand Frankenstein .
    »Was hast du eigentlich mit diesem Buch?« Sein Ton klang vage frotzelnd.
    Ich legte es auf meinen Nachttisch und sah zu, wie er durch mein Zimmer wanderte. Vorsichtig ergriff er irgendwelche Dinge. Stellte sie wieder ab. Wischte sie ab, falls er Fingerabdrücke hinterlassen hatte. Seit dem Krieg hatte er mit Habseligkeiten nichts mehr anzufangen gewusst.
    »Ich mag es. Was ist falsch daran?«
    »Es ist nur eine interessante Wahl«, sagte er und klang nun deutlich interessierter. »Es ist einfach nicht sehr … mädchenhaft, schätze ich.« Er lachte.
    »Es wurde von einem Mädchen geschrieben.«
    »Einem Mädchen mit einer Vorliebe für Monster.«
    »Vielleicht habe ich ja eine Vorliebe für Monster.« Ich unterdrückte ein Lächeln.
    »Wirklich?« Chase blickte aus zusammengekniffenen Augen in meine Richtung. Dann setzte er sich neben mir auf das Bett, hüpfte ein wenig auf der ungewohnten Matratze auf und ab und grinste wie ein kleiner Junge.
    »Außerdem ist das eigentlich gar kein Monster«, erklärte ich. »Aber alle anderen sehen ein Monster in ihm, weil er anders ist. Es ist traurig, weißt du? Dass Menschen einen so herunterreißen können. Dass jemand versucht, das Richtige zu tun, es aber einfach nicht kann.«
    Beispielsweise, Roy zu sagen, er soll sich von meiner Mutter fernhalten, hätte ich beinahe hinzugefügt, und ich fühlte, dass mein Gesicht ganz warm wurde.
    Er legte den Kopf auf die Seite und schaute mich auf eine so durchdringende Art und Weise an, dass ich mir entblößt vorkam, beinahe, als hätte er mich vorher noch nie wirklich gesehen, und zugleich fühlte ich mich sicher, fühlte, dass er nie jemandem erzählen würde, was er bei mir gefunden hatte. Er schob seine Finger zwischen meine.
    »Das klingt nach Einsamkeit«, sagte er.
    Ich schlug das Buch auf und faltete vorsichtig ein kleines Bündel Zettel auseinander, von denen zwei hellgrün waren, Rechtsdokumente, die besagten, dass das Haus seiner Eltern an das überlebende Familienmitglied fiele, an Chase Jennings. Der Gedanke, dass er diese Bürde immer mit sich führte, machte mich traurig.
    Die nächsten Zettel, und es waren ungefähr dreißig, waren dünn und so verknickt, dass ich sie ernsthaft hätte beschädigen können, hätte ich sie zu schnell auseinandergefaltet. Mein Puls fing an zu rasen. Ich erkannte diese Papiere … ich erkannte die Schrift.
    Das waren meine Briefe. Die, die ich Chase geschrieben hatte, als er zur MM gekommen war. Ich öffnete ein paar davon, wohl wissend, dass ich mich

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