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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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ihn.
    »Öfter, als ich es gern hätte«, antwortete er erbittert. »Einmal alle paar Monate, etwas seltener, wenn es draußen friert. Die Pistole war allerdings etwas Neues«, fügte er mit freudloser Miene hinzu.
    »Ronnie? Ist er immer noch bei dir?« Eine zierliche Frau hüpfte aufgeregt zur Tür herein. Sie hatte rotbraunes, kinnlanges Haar und trug einen Pullover mit Rautenmuster und eine Jeans. Sie war ziemlich umwerfend, gar nicht so, wie ich mir die Frau eines einfachen Bauern vorgestellt hatte. Bei ihrem Anblick wurde mir umso deutlicher bewusst, wie schmutzig Chase und ich nach unserem tagelangen Marsch durch die Wildnis waren. Als sie uns sah, blieb sie ruckartig stehen.
    Patrick stellte uns vor und erklärte ihr rasch die Situation. Eine sanfte Röte überzog ihre Wangen. Unbewusst strich sie mit den Händen über das Haar ihres Sohns, der sich wie eine schnurrende Katze an ihr Bein schmiegte.
    »Willkommen … gute Güte, willkommen«, sagte sie endlich. »Und danke.«
    »Ich dachte, Jacob und Elizabeth möchten vielleicht gern zum Essen bleiben.« Auf Patricks Anregung hin fing mein Magen gleich wieder an zu knurren. »Sie haben Familie in Lewisburg. Ich habe ihnen angeboten, sie morgen früh hinzufahren.«
    Morgen?
    »Du … ja, ich meine, selbstverständlich«, sagte Mary Jane und schüttelte den Kopf.
    »Entschuldigung«, sagte ich und hoffte, nicht undankbar zu erscheinen. »Ich hatte gedacht, wir würden noch heute Abend nach Lewisburg fahren.« Ich sah zum Fenster hinaus. Noch war es nicht ganz dunkel.
    »Meinem Onkel ging es in letzter Zeit nicht gut«, fügte Chase hinzu.
    Patrick runzelte die Stirn.
    »Es ist illegal, nach Anbruch der Ausgangssperre zu reisen. Außerdem, nach allem, was Sie getan haben …«
    Die Art, wie er das Wort illegal aussprach, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Patrick befolgte ganz offensichtlich die Regeln. Verstohlen trat ich Chase auf die Zehen, woraufhin er, ohne sich zu mir umzudrehen, zur Zustimmung einmal kurz nickte.
    Wir hatten keine andere Wahl, als die Nacht hier zu verbringen – oder zumindest diese Leute in dem Glauben zu lassen, wir würden die Nacht hier verbringen –, es sei denn, wir wollten riskieren, dass sie die MM wegen einer Verletzung der Ausgangssperre kontaktierten. Sie hatten einen Generator, was bedeutete, dass ihnen auch bei Dunkelheit ein funktionstüchtiges Telefon zur Verfügung stand. Ihr Gehorsam erschreckte mich.
    Mary Jane setzte ein gekünsteltes Lächeln auf. »Keine Widerworte. Sie bleiben bei uns, und morgen früh fahre ich Sie persönlich nach Lewisburg. Alles andere kommt gar nicht infrage.«
    Sicher nicht. So viel war klar.
    »Das ist wirklich sehr nett von Ihnen«, sagte ich in der Hoffnung, dass meine Stimme nicht gar zu böse klang.
    Wie zur Bestätigung dessen, dass ich einfach furchtbar aussah, scheuchte mich Mary Jane mit einem ausgefransten Handtuch aus der Waschküche und einem Stück Seife ins Badezimmer. Chase folgte uns mit dem Rucksack, aber ich wusste, dass er sich einen Überblick über das Haus und die Ausgänge verschaffen wollte.
    »Sie sind furchtbar freundlich«, flüsterte ich ihm zu, als er sich die Hände wusch. »Die wissen nichts über uns. Wir könnten Serienkiller sein.«
    Er gab einen leisen, zustimmenden Laut aus tiefster Kehle von sich.
    »Wir können nicht bis morgen bleiben«, informierte ich ihn. Aber meine blutigen, blasenüberzogenen Füße und die krampfenden Muskeln in meinen Lenden und meinen Waden sagten etwas ganz anderes.
    Er antwortete nicht. Wieder war er düsterer Stimmung, und ich ertappte mich dabei, ihm zu verübeln, dass er diesen Fremden gegenüber so freundlich aufgetreten war, während ich die Schweigepackung bekam. Der Moment, den wir draußen geteilt hatten, war offenbar verloren, und das tat mehr weh, als ich zugeben mochte.
    Als er aus dem Badezimmer hinausstolzierte, sah ich, wie sein Blick interessiert über die überdimensionierten Kommoden und die üppigen, goldfarbenen Daunendecken wanderte. Er hatte doch wohl nicht vor, etwas zu stehlen. Doch nicht, während diese Leute gleich nebenan waren.
    Das Wasser war warm, was dem Generator zu verdanken war, und es besänftigte meinen schmerzenden Körper, während ich die diversen Schmutzschichten abschrubbte. Dennoch konnte ich mich nicht entspannen. Es behagte mir nicht, nicht zu wissen, was im Rest des Hauses vor sich ging.
    Ich zog mich rasch um, vergewisserte mich, dass meine Stiefel fest geschnürt waren,

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