Arto Ratamo 7: Der Finne
Polizeichef, hatte nicht gewagt, dem Karhu-Kommando die Genehmigung zum Zugriff früher zu erteilen. Ratamo glaubte, an all dem schuld zu sein, zumindest teilweise. Es kam ihm so vor, als hätte er Fieber, im Kopf rauschte es, und sein Herz hämmerte so heftig, als wollte es den Brustkorb sprengen.
»Ratamo kann reinkommen«, rief der Leiter des Karhu-Kommandos aus dem Sitzungssaal.
Als Erstes sah er Sutela, der schockiert auf eine Kiste zeigte, die auf dem Mosaikparkett stand. Am liebsten hätte er den Professor seine Faust kosten lassen, der Mann hatte den überflüssigen Tod von etlichen Menschen herbeigeführt. Ratamo wandte sich jedoch der Kiste zu und war gespannt. Hatte Sutela endlich gefunden, was er suchte? Er beugte sich hinab, öffnete den Deckel und sah nichts als Asche. Plötzlich fiel es ihm schwer, zu atmen, er kämpfte, um Luft in die Lungen zu bekommen, spürte einen starken Schmerz in der Brust und verlor das Bewusstsein.
56
Helsinki, Montag, 14. August
Arto Ratamo lag im kleinsten Zimmer der Station 22 im Bereich Innere Medizin des Krankenhauses Meilahti, hatte einen Nikotinkaugummi im Mund und schaute seine Tochter, die auf der Bettkante saß, so unbekümmert wie möglich an. Die grüne Kurve auf dem Monitor des Gerätes zur Herzrhythmusüberwachung schlug aus, die roten Ziffern verrieten, dass Ratamos Herz zweiundsiebzig Mal in der Minute schlug, und die auf der Brust befestigten Elektroden ziepten.
»Ich bin gestern hierher in die Notaufnahme gekommen, weil ich … auf der Arbeit Schmerzen in der Brust hatte und noch andere Sachen. Sie haben gesagt, ich soll über Nacht hier bleiben, weil Tests gemacht werden mussten und alles so was.«
Nellis Miene blieb besorgt. »Dieser Pyjama sieht ziemlich doof aus.«
Ratamo hatte sie schon nach ihrer Ferienwoche bei Marketta gefragt, nach ihren Hobbys und Freundinnen und allem Möglichen anderen, von dem er wusste, dass es Nelli interessierte, aber ihm war immer noch nicht eingefallen, wie er auf den geheimnisvollen Freund Nellis zu sprechen kommen könnte. »Wir sehen uns heute Nachmittag zu Hause, und dann unterhalten wir uns weiter. Ich muss mit Jussi und Riitta jetzt kurz über dienstliche Dinge reden, sie warten draußen auf dem Flur.«
»Du hast doch Urlaub. Und bist krank«, erwiderte Nelli wütend.
»Eben. Ich erledige jetzt noch die letzten dienstlichen Dinge, und dann fahren wir beide übermorgen zusammen nach Italien zu Ilona. Du bekommst eine zusätzliche Woche Ferien, das habe ich schon vor längerer Zeit mit deinem Schuldirektor vereinbart.«
»Cool. Das muss ich gleich Kirsi erzählen«, sagte Nelli und verließ rasch das nach Desinfektionsmittel riechende Zimmer.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Ketonen mit ernster Miene, gleich als er hereinkam, und Riitta Kuurma legte ein gefülltes Baguette, das sie unterwegs im Café Picnic gekauft hatte, auf Ratamos Nachttisch.
»Ursache für den Herzanfall gestern war ein Vorhofflimmern, das ist die häufigste Rhythmusstörung. Es ist alles in Ordnung«, versicherte Ratamo. »Sie haben nur Blutproben genommen und mich an die Rhythmusüberwachung angeschlossen.« Er versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht.
»Ist es denn nicht so, dass durch die Krankschreibung der Urlaub verlängert wird, als Zugabe? Da kannst du dich richtig ausruhen«, sagte Ketonen. Es sollte locker und ermutigend klingen. Ihn plagten Gewissensbisse. Das alles war eigentlich seine Schuld. Er hatte den gestressten Ratamo halb gezwungen, auch im Urlaub zu arbeiten und sich in einen lebensgefährlichen Fall einzumischen.
Ratamo runzelte die Augenbrauen. »Probleme kann es natürlich geben, wenn sich herausstellt, dass eine Erkrankung der Herzkranzgefäße dahintersteckt. Schlimmstenfalls kann ich nur noch Schreibtischarbeit machen, und das ist nicht sehr verlockend.«
Riitta Kuurma nickte. »Vor allem dann, wenn die ganze Arbeit im Zusammenhang mit den Sicherheitseinstufungen für Mitarbeiter der Technologieunternehmen von der Sicherheitsabteilung des Generalstabes der Armee an uns abgeschoben wird.«
Ketonen beschloss, das Thema zu wechseln, bevor Ratamo und Kuurma anfingen, sich über die Bürokratie bei der SUPO auszulassen. »Die Morde in Kokemäki und die Katastrophe im Rittersaal haben einen regelrechten Mediensturm ausgelöst. Die Polizei und vor allem das Karhu-Kommando werden öffentlich gelyncht. Die Schüsse auf Taru Otsamo sind eine Spitzenmeldung in ganz Europa geworden, zumal nächste Woche die
Weitere Kostenlose Bücher