Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Norden Süden war und Hitze Kälte. Diesen Arthur hatte ich zuvor nur einmal gesehen: ein Mann voll Leidenschaft und, ich wage es auszusprechen, Selbstsucht. Arthur war zu schnell emporgestiegen. Gewiß, er war mit königlichem Blut in den Adern geboren, da er von seinem Vater jedoch nicht anerkannt worden war, führte er all seine Erfolge auf sich selbst zurück. Darauf war er stolz, und ebendiese Erfolge überzeugten ihn, daß er alles besser wußte als andere, Merlin vielleicht ausgenommen, und da dieses Wissen so oft genau das war, was sich die anderen Menschen wünschten, galten seine selbstsüchtigen Ambitionen fast immer als edel und weitblickend. In Caer Sws liefen seine Ambitionen jedoch den Wünschen der anderen entgegen.
Ich überließ ihn seiner Rasur und ging hinaus in den Sonnenschein, wo Agravain seine Saufeder schärfte. »Nun?«
fragte er mich.
»Er wird Ceinwyn nicht heiraten«, berichtete ich ihm. Wir waren außer Hörweite der Halle, aber selbst wenn wir nicht so weit weg gewesen wären, hätte Arthur uns nicht gehört. Er sang.
Agravain spie aus. »Er wird die heiraten, die man ihm zu heiraten befiehlt«, sagte er. Dann rammte er den Speerschaft in den Boden und kehrte in Tewdrics Quartiere zurück. Ob Gorfyddyd und Cuneglas wußten, was geschah,
vermochte ich nicht zu sagen, denn sie standen nicht wie wir in ständigem Kontakt mit Arthur. Falls Gorfyddyd etwas argwöhnte, dachte er vermutlich, es spiele keine große Rolle. Zweifellos glaubte er - falls er überhaupt etwas glaubte -, daß
Arthur Guinevere zur Geliebten und Ceinwyn zur Gemahlin nehmen würde. Es waren natürlich keine sehr feinen Manieren, in der Woche der Verlobung eine derartige Abmachung zu treffen, aber um feine Manieren hatte sich Gorfyddyd von Powys noch nie gekümmert. Er selbst hatte ebenfalls keine Manieren und wußte so gut wie alle Könige, daß Gemahlinnen dazu da waren, Dynastien zu schaffen, und Geliebte fürs Vergnügen. Seine eigene Gemahlin war längst gestorben, daher hielt ihm eine Reihe von jungen Sklavinnen das Bett warm, und die verarmte Guinevere würde in seinen Augen nie sehr weit über einer Sklavin rangieren und bildete daher keine Gefahr für seine geliebte Tochter. Cuneglas war scharfsinniger als sein Vater, und ich bin sicher, daß er Ärger witterte, aber er hatte all seine Kraft in diesen neuen Frieden investiert und muß gehofft haben, daß Arthurs Leidenschaft für Guinevere vorübergehen werde wie ein Sommergewitter. Aber vielleicht argwöhnten Gorfyddyd und Cuneglas auch nichts, denn sie schickten Guinevere nicht aus Caer Sws fort, obwohl nur die Götter wissen, ob sie damit etwas erreicht hätten. Agravain meinte, der Wahnsinn werde sich wieder legen. Wie er mir sagte, war Arthur schon einmal so vollkommen besessen gewesen. »Damals war es ein Mädchen in Ynys Trebes«, erzählte er mir. »Ich weiß nicht mehr, wie sie hieß. Mell? Messa? Na ja, so ähnlich. Hübsches kleines Ding. Richtig vernarrt war Arthur in sie, lief ihr nach wie ein Hund dem Leichenkarren. Aber damals war er noch jung, so jung, daß ihr Vater meinte, es werde nie etwas aus ihm werden; also schickte er seine Mella-Messa nach Broceliande und verheiratete sie mit einem Beamten, der fünfzig Jahre älter war als sie. Sie starb im Kindbett, aber bis dahin hatte Arthur sie überwunden. Solche Dinge geschehen eben, Derfel. Warte nur ab, Tewdric wird Arthur schon wieder Verstand einhämmern.«
Tewdric schloß sich den ganzen Vormittag mit Arthur ein, und ich dachte schon, es sei ihm vielleicht gelungen, meinem Lord den Kopf zurechtzurücken, denn Arthur wirkte den ganzen Tag recht kleinlaut. Er wagte Guinevere kein einziges Mal anzusehen, sondern zwang sich, zu Ceinwyn besonders liebenswürdig zu sein, und hörte sich am Abend - vermutlich, um Tewdric eine Freude zu machen - zusammen mit Ceinwyn in der kleinen, improvisierten Kirche eine Predigt von Sansum an. Ich hatte den Eindruck, die Predigt des Mäuselords habe Arthur gefallen, denn anschließend lud er Sansum in seine Halle ein und zog sich sehr lange mit dem Priester zurück. Am nächsten Morgen erschien Arthur mit entschlossenem, finsterem Gesicht und verkündete, daß wir alle noch am selben Vormittag aufbrechen würden. Ja, sogar noch zur selben Stunde. Da wir eigentlich erst in zwei Tagen abreisen sollten, müssen Gorfyddyd, Cuneglas und Ceinwyn überrascht gewesen sein, doch Arthur überzeugte sie, daß er mehr Zeit für die Vorbereitungen zur Vermählung
Weitere Kostenlose Bücher