Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
gesprochen haben, aber das konnte ich nicht hören, statt dessen hörte ich Arthur von Britannien und von dem Traum sprechen, der ihn veranlaßt hatte, übers Meer von Armorica herüberzukommen. Er sprach von den Sachsen und daß sie eine Plage seien, mit der man aufräumen müsse, wenn das Land jemals glücklich werden sollte. Er sprach vom Krieg und von der schrecklichen Freude, die er empfand, wenn er mit einem geharnischten Pferd in die Schlacht ritt. Er sprach, wie er auf den eiskalten Wällen von Caer Cadarn mit mir gesprochen hatte, schilderte ein Land in tiefem Frieden, in dem das gemeine Volk sich nicht vor Speerkämpfern fürchten mußte, die bei Tagesanbruch auftauchten. Er sprach leidenschaftlich, eindringlich, und Guinevere lauschte ihm bereitwillig und versicherte ihm, sein Traum sei begeisternd. Arthur spann eine Zukunft aus seinem Traum, und Guinevere war eng mit diesem Faden verwoben. Die arme Ceinwyn, sie hatte nur ihre Schönheit und ihre Jugend, während Guinevere die Einsamkeit in Arthurs Seele erkannte und ihm versprach, sie zu heilen. Sie verließ ihn vor Morgengrauen, eine dunkle Gestalt, die über den Burghof von Caer Sws dahinhuschte, eine Gestalt mit einer Mondsichel im Lockenhaar. Am Tag darauf promenierte Arthur reumütig mit Ceinwyn und ihrem Bruder. Guinevere trug an jenem Tag einen schweren neuen Goldtorques, und einige von uns empfanden Mitleid mit Ceinwyn, aber Ceinwyn war nur ein Kind, während Guinevere eine Frau und Arthur hilflos war.
Sie war wahnsinnig, diese Liebe. So wahnsinnig wie Pellinore. Wahnsinnig genug, um Arthur auf die Toteninsel zu verbannen. Nichts anderes galt Arthur mehr etwas: Britannien, die Sachsen, das neue Bündnis - die ganze große, sorgfältig ausgewogene Friedensstruktur, auf die er seit seiner Rückkehr aus Armorica hingewirkt hatte, trieb jetzt wegen einer bettelarmen, rothaarigen Prinzessin Ohneland wild wirbelnd in den Untergang. Er wußte, was er tat, konnte aber genausowenig etwas dagegen tun, wie man die Sonne am Aufgehen hindern kann. Er war besessen, dachte an sie, sprach von ihr, träumte von ihr, konnte nicht ohne sie leben; und dennoch hielt er, wenn auch voll Qualen, irgendwie den Schein seines Verlöbnisses mit Ceinwyn aufrecht. Die Vermählungsarrangements wurden besprochen. Als
Anerkennung für Tewdrics Beitrag zum Friedensvertrag sollte die Eheschließung in Glevum stattfinden, und Arthur sollte dorthin vorausreisen, um in Ruhe seine Vorbereitungen zu treffen. Der Bund konnte erst geschlossen werden, wenn der Mond zunahm. Vorläufig nahm er immer noch ab, und niemand würde es riskieren, unter einem so schlechten Zeichen zu heiraten, aber in zwei Wochen standen die Zeichen weitaus besser, und dann würde Ceinwyn mit Blumen im Haar nach Süden ziehen.
Doch Arthur trug Guineveres Haar um den Hals. Es war ein dünnes rotes Zöpfchen, das er unter dem Kragen versteckte. Ich sah es, als ich ihm eines Morgens Wasser brachte. Er stand mit nacktem Oberkörper da, schliff sein Rasiermesser an einem Wetzstein und zuckte die Achseln, als er merkte, daß mir die geflochtene Haarsträhne auffiel. »Glaubst du etwa, daß rotes Haar Unglück bringt, Derfel?« fragte er mich, als er meine Miene sah.
»Das sagen jedenfalls alle, Lord.«
»Aber haben alle recht?« fragte er den Bronzespiegel. »Wenn du eine Schwertklinge härten willst, Derfel, tauchst du sie nicht in Wasser, sondern in den Urin eines rothaarigen Knaben. Also muß das Glück bringen, nicht wahr? Und was, wenn rotes Haar wirklich Unglück brächte?« Er hielt inne, spuckte auf den Stein und zog die Messerklinge darauf hin und her.
»Unsere Aufgabe ist es, Derfel, Dinge zu verändern, nicht, sie bestehen zu lassen. Warum lassen wir rote Haare nicht einfach Glück bringen?«
»Ihr könnt alles, Lord«, gab ich voll unglücklicher Loyalität zurück.
Er seufzte. »Ich hoffe nur, daß du recht hast, Derfel. Ich hoffe es.« Er blickte in den Bronzespiegel und zuckte zusammen, als er das Messer an die Wange setzte. »Friede ist mehr als eine Vermählung, Derfel. Es muß einfach so sein! Wegen einer Braut beginnt man keinen Krieg. Wenn der Friede so begehrenswert ist, und das ist er, läßt man nicht von ihm ab, weil eine Vermählung nicht stattfindet - oder?«
»Ich weiß es nicht, Lord«, antwortete ich. Ich wußte nur, daß
mein Lord in Gedanken Argumente auswendig lernte und sie so lange wiederholte, bis er selber an sie glaubte. Er war wahnsinnig vor Liebe, so wahnsinnig, daß
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