Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
was für Kämpfe haben wir ausgefochten, was für Träume sind zerbrochen! In Armorica.
Als wir später, sehr viel später an jene Zeiten zurückdachten, nannten wir sie die »schlimmen Jahre«, sprachen aber kaum darüber. Arthur haßte es, an jene frühen Tage in Dumnonia erinnert zu werden, als seine leidenschaftliche Liebe zu Guinevere das Land ins Chaos stürzte. Seine Verlobung mit Ceinwyn war wie eine kunstvolle Spange gewesen, die ein zartes Gewand aus Sommerfäden zusammenhält, und als diese Spange verlorenging, zerfiel das ganze Gewand. Daran gab sich Arthur die Schuld, und deswegen mochte er nicht über die schlimmen Jahre reden.
Tewdric wollte eine Zeitlang für keine der beiden Seiten kämpfen. Er machte Arthur für den gebrochenen Frieden verantwortlich, und zur Strafe erlaubte er Gorfyddyd und Gundleus, ihre Kriegshorden auf dem Weg nach Dumnonia durch Gwent zu führen. Die Sachsen drangen von Osten her vor, die Iren attackierten vom Westmeer aus, und als wären das nicht schon genug Feinde, rebellierte Fürst Cadwy von Isca gegen Arthurs Herrschaft. Tewdric versuchte sich aus allem herauszuhalten, aber als Aelles Sachsen Tewdrics Grenzen überschritten, waren die einzigen Freunde, an die er sich um Hilfe wenden konnte, die Dumnonier, und so sah er sich letztlich gezwungen, auf Arthurs Seite am Krieg teilzunehmen. Inzwischen aber hatten die Speerkämpfer von Powys und Siluria seine Straßen benutzt, um die Berge nördlich von Ynys Wydryn zu besetzen, und als Tewdric sich für Dumnonia entschied, eroberten sie auch noch Glevum. In jenen Jahren wurde ich erwachsen. Ich verlor die Übersicht über die Anzahl der Männer, die ich tötete, und der Kriegerringe, die ich schmiedete. Ich erhielt einen Zunamen, Cadarn, das heißt »der Mächtige«. Derfel Cadarn, eiskalt in der Schlacht, mit einem furchtbar schnellen Schwert. Einmal forderte mich Arthur auf, mich seinen Reitern anzuschließen, ich aber zog es vor, auf festem Boden und damit
Speerkämpfer zu bleiben. Während ich Arthur in jener Zeit beobachtete, begann ich allmählich zu begreifen, warum er ein so großartiger Soldat war. Es lag nicht nur an seiner Tapferkeit, obwohl er wahrhaftig tapfer war, sondern an der Art, wie er seine Feinde überlistete. Unsere Heere waren schwerfällige Instrumente - sie marschierten langsam und reagierten träge, wenn es galt, während des Marsches die Richtung zu ändern. Arthur aber stellte eine kleine Truppe von Männern zusammen, die jederzeit flink die Stellung zu wechseln vermochten. Er führte diese Männer, die teils zu Fuß, teils beritten waren, auf langen Gewaltmärschen im Bogen um die feindlichen Flanken, damit sie unversehens immer dort auftauchten, wo man sie am wenigsten erwartete. Am liebsten griffen wir bei Morgengrauen an, wenn die Feinde noch von den Saufgelagen der Nacht benommen waren, oder wir lockten sie mit Scheinrückzügen aus ihrer Deckung und warfen uns dann auf ihre ungeschützten Flanken. Als wir nach einem Jahr die Streitkräfte von Gorfyddyd und Gundleus durch diese Taktik endlich aus Glevum und Nord-Dumnonia vertrieben hatten, ernannte Arthur mich zum Hauptmann, und ich begann, meine eigenen Gefolgsleute mit Gold zu beschenken. Zwei Jahre später wurde mir sogar die höchste Auszeichnung eines Kriegers zuteil: die Aufforderung, zum Feind überzulaufen. Ausgerechnet Ligessac, der verräterische Befehlshaber von Mordreds Leibwache, kam im Tempel des Mithras, wo sein Leben geschützt war, auf mich zu und bot mir ein Vermögen an, wenn ich, wie er, in Gundleus' Dienste treten würde. Ich lehnte ab. Gott sei's gedankt, war ich Arthur stets treu ergeben.
Auch Sagramor war loyal, und er war es, der mich in den Mithraskult einweihte. Mithras ist ein Gott, den die Römer nach Britannien gebracht hatten, und unser Klima muß ihm wohl gefallen, denn er besitzt noch immer Macht. Da er ein Soldatengott ist, dürfen Frauen in seine Mysterien nicht eingeweiht werden. Meine Initiation fand gegen Ende des Winters statt, in jener Zeit, da Soldaten über viel freie Zeit verfügen. Es geschah in den Bergen. Sagramor ging mit mir allein in ein so tiefes Tal, daß der morgendliche Reif sogar am Spätnachmittag noch weiß an den Gräsern glitzerte. Vor einem Höhleneingang blieben wir stehen. Sagramor befahl mir, die Waffen abzulegen und mich splitternackt auszuziehen. Zitternd vor Kälte, stand ich da, während der Numidier mir mit einem dicken Tuch die Augen verband und mir einschärfte, von nun an
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