Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Gundleus, der wieder auf dem Thron von Siluria saß, schmiedete in den tiefen Tälern seines Reiches Schwerter und Speere. Und im Osten landeten immer mehr sächsische Boote an den von ihnen eroberten Küsten. Arthur legte seine Schuppenrüstung an - das dritte Mal erst, seit ich ihn bei seiner Ankunft in Britannien gesehen hatte -, dann ritt er mit vierzig seiner gepanzerten Reiter in ganz Dumnonia umher. Er wollte dem Reich seine Macht vorführen und erreichen, daß die Reisenden, die ihre Ware über die Grenzen des Reichs hinaustrugen, überall von seiner Kampfkraft berichteten. Dann kehrte er nach Lindinis zurück, wo Hygwydd, sein Knappe, den neuen Rost von den
Schuppen seiner Rüstung scheuerte.
Die erste Niederlage erfolgte im Herbst. Da König Melwas'
Männer in Venta von einer Seuche dezimiert worden waren, konnte Cerdic, der neue Sachsenführer, die belgischen Kriegshorden besiegen und einen großen Teil fruchtbares Flußland erobern. König Melwas flehte um Verstärkung, doch Arthur wußte, daß Cerdic das geringste seiner Probleme war. Da im ganzen von den Sachsen eroberten Lloegyr sowie in den britischen Königreichen im Norden die Kriegstrommeln dröhnten, konnte man keine Speere für Melwas erübrigen. Nachdem Cerdic mit seinen neuen Eroberungen vollauf beschäftigt war und für Dumnonia daher keine Gefahr zu sein schien, wollte Arthur den Sachsen vorerst einmal in Ruhe lassen. »Wir werden dem Frieden eine Chance geben«, erklärte Arthur dem Kronrat.
Aber es gab keinen Frieden.
Im Spätherbst, wenn die meisten Heere daran denken, ihre Waffen zu ölen, um sie während der kalten Monate zu verstauen, setzte sich die Streitmacht von Powys in Marsch. Und es herrschte Krieg in Britannien.
DRITTER TEIL
Merlins Rückkehr
Igraine spricht mit mir über die Liebe. Es ist Frühling hier in Dinnewrac, und die Sonne füllt das Kloster mit ein wenig Wärme. Auf den Südhängen springen Lämmer, nur hat ein Wolf gestern drei von ihnen gerissen und eine Blutspur hinterlassen, die an unserem Tor vorbeiführt. An dieses Tor kommen die Bettler, um etwas zu essen zu erbitten, und strecken, wenn Igraine zu Besuch kommt, ihre verkrümmten Hände aus. Einer der Bettler stahl den raubgierigen Raben den von Würmern wimmelnden Kadaver des einen Lammes, und als Igraine an diesem Vormittag erschien, saß er am Wegrand und kaute daran herum.
Ob Guinevere wirklich schön gewesen sei, fragte sie mich. Nein, antwortete ich, aber viele Frauen würden ihre Schönheit hingeben, wenn sie so aussehen könnten wie Guinevere. Igraine wollte natürlich wissen, ob sie selbst schön sei, und ich versicherte ihr, das sei sie, aber sie erklärte, die Spiegel auf dem Caer ihres Gemahls seien sehr alt und verbeult, deshalb sei nur schwer etwas darin zu erkennen. »Wäre es nicht wundervoll«, sagte sie, »wenn wir uns so sehen könnten, wie wir wirklich sind?«
»Gott sieht uns so«, gab ich zurück, »und einzig Gott.«
Sie krauste die Nase. »Ich hasse es, wenn Ihr mir predigt, Derfel. Es paßt nicht zu Euch. Wenn Guinevere nicht schön war, warum hat sich Arthur dann in sie verliebt?«
»Liebe ist nicht nur den Schönen vorbehalten«, mahnte ich sie tadelnd.
»Habe ich das gesagt?« fragte Igraine entrüstet. »Aber Ihr habt gesagt, daß Arthur sich vom ersten Moment an von Guinevere angezogen fühlte. Wenn es also nicht ihre Schönheit war, was war es dann?«
»Ihr bloßer Anblick«, antwortete ich, »ließ sein Blut in Wallung geraten.«
Das gefiel Igraine. Sie lächelte. »Sie war also doch schön?«
»Sie war eine Herausforderung für ihn«, berichtigte ich, »und er dachte, er wäre kein ganzer Mann, wenn es ihm nicht gelänge, sie zu erobern. Aber vielleicht haben die Götter mit uns auch ihr Spiel getrieben.« Ich zuckte die Achseln; mir fielen keine weiteren Gründe ein. »Und außerdem«, sagte ich,
»habe ich damit nicht sagen wollen, daß sie nicht schön war, sondern daß sie mehr als schön war. Sie war die
wundervollste Frau, die ich jemals gesehen habe.«
»Mich eingeschlossen?« wollte meine Königin sofort wissen.
»Nun ja«, antwortete ich, »meine Augen sind alt und trübe.«
Sie lachte über diese Ausrede. »Hat Guinevere Arthur geliebt?« fragte sie mich.
»Sie liebte das Bild, das sie sich von ihm machte«, berichtigte ich. »Sie liebte den Gedanken, daß er der Champion von Dumnonia war, und sie liebte ihn so, wie er war, als sie ihn zum erstenmal sah. Er war in seine Rüstung gekleidet, Arthur,
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