Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
seines Gewandes packte, um ihn behutsam vom Steinhaufen zum Teich hinüberzutragen, wo er Sansum ins flache, schlammige Wasser warf. »Herr, ich ertrinke!« rief Sansum. »In tiefe Wasser geschleudert wie Jonas ins Meer!
Ein Märtyrer für Jesus Christus! Wie Peter und Paul zu Märtyrern wurden. Herr, ich komme!« Er machte ein paar hektische Blasen, aber da niemand außer seinem Gott Notiz davon nahm, schleppte er sich langsam aus der schlammigen Entengrütze, um meine Männer, die eifrig damit beschäftigt waren, Steine beiseite zu räumen, mit Flüchen zu belegen. Unter dem Steinhaufen fanden sie einen Deckel aus Holzplanken, und als sie den hoben, entdeckten sie eine steinerne Zisterne voll Ledersäcken und in den Ledersäcken Gold. Schwere Goldmünzen, Goldketten, Goldstatuen, Goldtorques, Goldbroschen, Goldarmreifen, Goldspangen; Gold, das Hunderte von Pilgern hergebracht hatten, um den Segen des Dornbuschs zu erbitten. Arthur bestand darauf, daß dieses Gold von einem Mönch gezählt und gewogen wurde, damit dem Kloster eine entsprechende Quittung ausgestellt werden konnte. Er überließ es meinen Männern, die Zählung zu überwachen, während er den nassen, protestierenden Sansum quer über das Gelände zum heiligen Dornbusch schleifte. »Bevor Ihr Euch in die Geschäfte von Königen einmischt, mein Lord Bischof«, sagte Arthur, »solltet Ihr lernen, wie man Dornbüsche pflegt. Ihr werdet nicht wieder als Kaplan des Königs eingesetzt, sondern hierbleiben und erst einmal das Wirtschaften lernen.«
»Den nächsten Baum«, riet ich ihm, »solltet Ihr mulchen. Haltet die Wurzeln feucht, bis er sich gesetzt hat. Und niemals einen blühenden Baum verpflanzen, Bischof, das mögen sie nicht. Das war der Fehler bei den letzten paar Dornbüschen, die Ihr hier angepflanzt habt; Ihr habt sie zur falschen Zeit im Wald ausgegraben. Holt sie Euch im Winter und grabt ihnen ein schönes, großes Loch mit etwas Dung und Mulche, dann werdet Ihr vielleicht ein echtes Wunder erleben.«
»Vergib ihnen, Herr!« flehte Sansum, fiel auf die Knie und richtete den Blick in den nassen, grau verhangenen Himmel. Arthur wollte noch den Tor besuchen, trat zunächst aber an Norwennas Grab, das für die Christen ein Ort der Verehrung geworden war. »Man hat ihr übel mitgespielt«, sagte er zu mir.
»So ergeht es allen Frauen«, erklärte Nimue. Sie war uns an das Grab gefolgt und stand dicht neben dem heiligen Dornbusch.
»Nein«, widersprach Arthur, »so ergeht es den meisten Menschen, doch allen Frauen ebensowenig wie allen Männern. Dieser Frau aber ist Unrecht geschehen, und wir haben es noch immer nicht gerächt.«
»Ihr hattet Gelegenheit zur Rache«, warf Nimue ihm bitter vor,
»aber Ihr habt Gundleus das Leben geschenkt.«
»Weil ich mir Frieden davon erhoffte«, antwortete Arthur. »Das nächste Mal aber muß er sterben.«
»Eure Gemahlin«, warf Nimue ein, »hat ihn mir versprochen.«
Arthur erschauerte, weil er wußte, welch große Grausamkeit hinter Nimues Wunsch lag, aber er nickte. »Er gehört Euch«, sagte er, »ich verspreche es Euch.« Damit wandte er sich ab und führte uns durch den strömenden Regen zum Gipfel des Tor. Nimue und ich kehrten heim, und Arthur wollte Morgan besuchen.
In der Halle umarmte er seine Schwester. Morgans Goldmaske schimmerte matt im Licht des Unwetters, und um den Hals trug sie die in Gold gefaßten Bärenklauen, die Arthur ihr vor so langer Zeit aus Benoic mitgebracht hatte. Verzweifelt, ausgehungert nach menschlicher Wärme, klammerte sie sich an ihn. Ich ließ die beiden allein. Nimue schlüpfte, als wäre sie niemals fortgewesen, durch die kleine Tür in Merlins wiederaufgebaute Gemächer, während ich durch den Regen zu Gudovans Hütte lief. Ich fand den alten Schreiber an seinem Schreibtisch, allerdings nicht bei der Arbeit, denn der Star hatte ihn erblinden lassen, obwohl er behauptete, hell und dunkel noch unterscheiden zu können.
»Aber meistens ist es jetzt dunkel«, sagte er traurig und lächelte. »Du bist inzwischen wohl zu groß, um dich von mir versohlen zu lassen, wie, Derfel?«
»Ihr könnt es ja mal versuchen, Gudovan«, gab ich zurück,
»aber das wird jetzt nicht mehr viel helfen.«
»Hat es das je getan?« Er kicherte. »Merlin hat mir von dir erzählt, als er letzte Woche hier war. Leider ist er nicht lange geblieben. Er kam, redete mit uns, hinterließ uns eine weitere Katze, als ob wir nicht schon genug Katzen hätten, und verschwand wieder. Nicht mal
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