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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Unfall gewesen, sagt er.«
    Ich sah flüchtig zu dem jungen Mädchen hinüber, das die Harfe spielte. Die Tanten warfen uns wütende Blicke zu, Helledd jedoch schien sich an unserem Gespräch nicht zu stören. Galahad lauschte, einen Arm um den schlafenden Perddel gelegt, der Musik. »Ich war an jenem Tag auf dem Tor, Lady«, sagte ich, mich wieder Ceinwyn zuwendend.
    »Und?«
    Ich entschied, daß ihre Offenheit eine offene Antwort verdiene.
    »Sie kniete nieder, um ihn willkommen zu heißen, Lady«, sagte ich, »und er stieß ihr sein Schwert in die Kehle. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
    Sekundenlang verhärtete sich ihre Miene. Das glimmende Fackellicht rötete ihre bleiche Haut und legte weiche Schatten auf ihre Wangen und unter ihre Unterlippe. Sie trug ein kostbares Gewand aus blaßblauem Leinen, besetzt mit dem schwarz gefleckten, silbrigweißen Pelz eines Winterwiesels. Ein Silbertorques schmückte ihren Hals, in ihren Ohren blitzten silberne Ohrringe, und ich überlegte, wie gut das Silber zu ihrem hellglänzenden Haar passe. Sie stieß einen kleinen Seufzer aus. »Ich hatte gefürchtet, diese Wahrheit zu hören«, erklärte sie, »doch da ich eine Prinzessin bin, muß ich den Mann heiraten, der uns am meisten nützt, und nicht den, mit dem ich mich gern vermählen würde.« Eine Weile sah sie zu der Musikerin hinüber. Dann beugte sie sich wieder zu mir herüber. »Mein Vater behauptet«, sagte sie beunruhigt, »daß
    es in diesem Krieg um meine Ehre geht. Stimmt das?«
    »Für ihn, Lady, ja. Obwohl ich Euch versichern kann, daß
    Arthur es sehr bedauert, Euch Unrecht zugefügt zu haben.«
    Sie verzog ein wenig das Gesicht. Das Thema war offenbar schmerzlich für sie, aber sie konnte es nicht loslassen, denn Arthurs Ablehnung hatte Ceinwyns Leben weit tiefgreifender und trauriger verändert als das seine. Arthur war davongezogen, während sie zurückblieb, um voll Kummer um ihn zu trauern und schmerzliche Antworten zu suchen, die sie offensichtlich noch nicht gefunden hatte. »Versteht Ihr ihn?«
    fragte sie mich nach einer Weile.
    »Damals habe ich ihn nicht verstanden, Lady«, antwortete ich.
    »Ich hielt ihn für töricht. Das taten wir alle.«
    »Und jetzt?« wollte sie wissen, während sie mich mit ihren blauen Augen ansah.
    Ich überlegte ein paar Sekunden. »Ich glaube, Lady, daß
    Arthur in seinem Leben ein einziges Mal ein Wahn überkam, den er nicht zu beherrschen vermochte.«
    »Liebe?«
    Ich sah sie an und redete mir ein, daß ich nicht in sie verliebt war und daß ihre Brosche ein Talisman sei, der mir rein zufällig in die Hand geraten war. Ich sagte mir, daß sie eine Prinzessin und ich der Sohn einer Sklavin sei. »Ja, Lady«, antwortete ich.
    »Versteht Ihr diesen Wahn?« wollte sie wissen.
    Für mich gab es nichts in diesem Raum außer Ceinwyn. Prinzessin Helledd, der schlafende Prinz, Galahad, die Tanten, die Harfenistin - keiner von ihnen existierte für mich, auch nicht die gewebten Wandbehänge und die bronzenen Fackelhalter. Ich war mir nur Ceinwyns großer, trauriger Augen und meines eigenen, pochenden Herzens, bewußt.
    »Ich verstehe, daß man einem Menschen in die Augen sieht«, hörte ich mich sagen, »und plötzlich weiß, daß man ohne ihn nicht mehr leben kann. Man hört die Stimme, bei der einem das Herz aussetzt, und spürt, daß das ganze Glück des Lebens in der Gegenwart des anderen liegt und daß die Abwesenheit des anderen die eigene Seele allein, verlassen und verloren zurückläßt.«
    Eine Weile blieb sie still und sah mich nur mit leicht verwirrter Miene an. »Ist Euch das jemals selbst geschehen, Lord Derfel?« fragte sie mich schließlich.
    Ich zögerte. Ich wußte, was meine Seele antworten wollte, und ich wußte, wie ich, meiner Stellung entsprechend, antworten sollte, dann aber sagte ich mir, daß Schüchternheit noch keinem Krieger geholfen hat, und ließ meiner Seele den Vortritt. »Niemals - bis zu diesem Augenblick, Lady«, antwortete ich. Und diese Erklärung kostete mich mehr Mut, als ich jemals gebraucht habe, um einen Schildwall zu durchbrechen.
    Sie wandte augenblicklich den Kopf ab und richtete sich auf, und ich verfluchte mich dafür, daß ich sie mit meiner dummen Unbeholfenheit beleidigt hatte. Mit rotem Gesicht und vor Verlegenheit schmerzender Seele blieb ich auf meinem Sofa zurückgelehnt liegen, während Ceinwyn die Harfenistin belohnte, indem sie ein paar Silbermünzen auf den Teppich neben dem Instrument warf. Dann bat sie um das

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