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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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noch setzte ein grauer, häßlicher Nieselregen das Fort unter Wasser. Der Druide Iorweth kam zu uns, um uns zu versichern, daß wir nicht in Gefahr seien, ließ aber taktvoll durchblicken, daß wir Gorfyddyds widerwillige
    Gastfreundschaft doch ziemlich stark strapazieren würden, wenn wir am abendlichen Festmahl teilnähmen, der letzten Zusammenkunft von Gorfyddyds Verbündeten und
    Häuptlingen, bevor die Männer von Caer Sws nach Süden aufbrachen, um sich in Branogenium mit dem Rest des Heeres zu vereinigen. Wir konnten Iorweth beruhigen: Wir hätten nicht den Wunsch, am Festmahl teilzunehmen, erklärten wir ihm. Der Druide dankte uns lächelnd; dann setzte er sich auf eine Bank neben der Tür. »Ihr seid Freunde von Merlin?« fragte er.
    »Lord Derfel ist Merlins Freund«, antwortete Galahad. Iorweth rieb sich müde die Augen. Er war alt und hatte ein freundliches, sanftes Gesicht und einen Kahlkopf mit der Andeutung einer Tonsur unmittelbar über den Ohren. »Ich kann mir nicht helfen«, sagte er, »aber ich habe den Eindruck, daß mein Bruder Merlin zuviel von den Göttern erwartet. Er glaubt, daß man die Welt erneuern und die Geschichte auslöschen kann wie einen Strich, den man auf dem Erdboden zieht. Aber das geht nicht.« Er kratzte sich eine Laus aus dem Bart und wandte sich an Galahad, der ein Kreuz um den Hals trug. Er schüttelte den Kopf. »Ich beneide Euren Christengott. Er ist drei und ist eins, er ist tot, und er lebt, er ist überall, und er ist nirgends, und er verlangt, daß ihr ihn anbetet, behauptet aber, daß außer ihm nichts einer Anbetung würdig sei. All diese Widersprüche bieten so viel Raum, daß der Mensch an alles oder nichts glauben kann; das ist bei unseren Göttern anders. Die sind wie Könige, launisch und mächtig, und wenn sie uns vergessen wollen, tun sie das einfach. Es spielt keine Rolle, woran wir glauben, wichtig ist nur, was sie wollen. Unsere Zaubersprüche funktionieren nur, wenn die Götter es erlauben. Merlin ist da natürlich anderer Ansicht. Er glaubt, wenn wir laut genug rufen, werden wir ihre Aufmerksamkeit schon erregen, aber was tut man mit einem Kind, das zu laut schreit?«
    »Man schenkt ihm Aufmerksamkeit?« erwiderte ich fragend.
    »Man schlägt es, Lord Derfel«, korrigierte mich Iorweth. »Man schlägt es, bis es endlich still ist. Und ich fürchte, Lord Merlin könnte zu lange zu laut schreien.« Er erhob sich und griff nach seinem Stab. »Ich bitte um Verzeihung, daß Ihr heute nicht mit den Kriegern speisen dürft, aber Prinzessin Helledd sagt, daß
    ihr herzlich willkommen seid, die Abendmahlzeit mit ihrer Familie einzunehmen.«
    Helledd von Elmet war die Gemahlin von Cuneglas, und ihre Einladung war nicht unbedingt ein Kompliment. Tatsächlich hätte diese Einladung eine wohlüberlegte Beleidigung sein können, die Gorfyddyd sich ausgedacht hatte, um anzudeuten, wir seien höchstens geeignet, mit Frauen und Kindern zu speisen, aber Galahad antwortete, es sei uns eine Ehre, die Einladung anzunehmen.
    Und dort, in Helledds kleiner Halle, saß Ceinwyn. Ich hatte sie wiedersehen wollen, hatte es mir gewünscht, seit Galahad den Vorschlag machte, eine Abordnung nach Powys zu schicken, und das war der Grund, warum ich mich so sehr darum bemüht hatte, ihn begleiten zu dürfen. Ich war nicht nach Caer Sws gekommen, um Frieden zu schließen, sondern um Ceinwyns Gesicht wiederzusehen, und nun, im flackernden Fackelschein von Helledds Halle, wurde mir dieser Wunsch endlich erfüllt.
    Die Jahre hatten sie nicht verändert. Ihr Antlitz war genauso süß, ihr Verhalten genauso zurückhaltend, ihr Haar so leuchtend, ihr Lächeln so lieblich wie früher. Als wir den Raum betraten, beschäftigte sie sich mit einem Kleinkind, das sie mit Apfelstückchen zu füttern versuchte. Das Kind war Cuneglas'
    Sohn Perddel. »Ich hab' ihm gesagt, wenn er seinen Apfel nicht ißt, werden die bösen Dumnonier kommen und ihm alles wegnehmen«, erklärte sie lächelnd. »Ich glaube, er möchte mit Euch gehen, denn er will einfach nichts essen.«
    Helledd von Elmet, Perddels Mutter, war eine
    hochgewachsene Frau mit schwerer Kinnpartie und blassen Augen. Sie hieß uns willkommen, befahl einer Dienerin, uns Met einzuschenken, und machte uns dann mit zwei ihrer Tanten bekannt, Tonwyn und Elsel, die uns mißbilligend musterten. Wir hatten offensichtlich ein Gespräch unterbrochen, das die beiden genossen, und die verärgerten Blicke der Tanten deuteten an, daß wir wieder gehen

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